Tod auf der Piste
Karten gespielt, Weiber angegraben – mein Gott, wir waren ganz normale Jungs.«
»Das heißt, Ernsts Vorwurf, Sie hätten die Stöcke seines Bruders manipuliert, war auch ganz normales Geplänkel unter ganz normalen Saufkumpanen?« Irmis Ton war eine Nuance süffisanter geworden.
»Wenn Ernst etwas tat, dann immer mit Pathos. Letztlich haben wir darüber gelacht und eine Halbe getrunken. Do war der Kas bissn.«
Dieser Quirin Grasegger, wie schön er sich doch die Attitüde des banal-profanen Gaudiburschen gab! Doch Irmi nahm ihm das nicht ab. »Ernst Buchwieser hat Sie aber bis heute mit dieser alten Geschichte genervt?«
»Ja, Ernst schoss gerne übers Ziel hinaus. Er war ein Provokateur, immer schon. Das habe ich nicht mehr ernst genommen, das war eben Teil unseres Verhältnisses.« Wieder ein joviales Lachen.
»Und seinen WM-Protest, den haben Sie auch nicht ernst genommen?«
Sein Gesicht verdüsterte sich für eine Sekunde. »Doch, aber da ging es auch nicht mehr um Kinderkram aus der Vergangenheit. Ich wollte Ihnen nur vermitteln, dass unsere Jugend in den späten Siebzigern eine ganz normale Jugend war, Maria dramatisiert da in der Rückschau sicher ein wenig. Aber nun geht es um das Hier und Heute.«
»Und es geht um Geld und Ansehen?«
»Es geht um Garmisch. Es geht um nichts weniger als darum, wie wir uns der Welt präsentieren. Diese drei Wochen im Jahr 2011 sind essenziell für uns, weil die Welt auf uns schaut, weil uns Menschen wahrnehmen werden, die das sonst nicht getan haben. Aber es gibt ein Vorher und ein Nachher. Der Sport ist der Flugzeugträger für Investitionen. Was bis 2011 gebaut wird, wäre wahrscheinlich später auch gebaut worden, aber nie in dieser Geschwindigkeit! Der Kramertunnel zur Verkehrsentlastung, die Skigebietsinnovationen – jetzt ist die Zeit reif! Und das lass ich mir von einem Ernst Buchwieser nicht kaputt machen. Von niemandem lass ich mir das kaputt machen.«
Hoppala, dachte Irmi, doch kein so guter Taktiker. »Und da war Ihnen jedes Mittel recht, um Buchwieser zu stoppen?«
Quirin Grasegger sah sie scharf an. »Frau Mangold, falls Sie darauf abheben, dass ich Buchwieser getötet haben könnte, wäre das lächerlich. Es gibt bessere, juristische Wege, um Menschen wie Ernst zu stoppen.«
»Die schon eingeleitet wurden?«
»Nein, weil sich Ernst mehr und mehr selbst ins Abseits manövriert hat. Sehen Sie, der Bund Naturschutz hat davon Abstand genommen, gegen die neuen Strecken zu klagen. Ernst stand ziemlich allein da mit seinem Schülergeschwader.«
»Na ja, es waren längst nicht alle begeistert und sind es bis heute nicht, oder? Sie betreiben Geschichtsklitterung, wenn Sie behaupten, die Garmischer und Partenkirchner wären allesamt sofort begeistert gewesen, auch wenn die Fernsehauftritte des Werbepaares Neureuther/Mittermaier und einer Maria Riesch im netten Dirndl ein einig Volk von Skifans zeigen sollten.« Irgendwie war Irmi heute auf Krawall gebürstet. Das mochte auch daran liegen, dass ihr dieser ganze Skizirkus nichts sagte und sie immer schon bezweifelt hatte, dass wenige Wochen, in denen ein paar Irre vereiste Hänge hinunterrasten, einer Region nachhaltig nutzen würden.
»Das Organisationskomitee hat extra früh damit angefangen, die Menschen vor Ort zu informieren und in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Es gibt Infotage für alle Bürger, und eine öffentliche Begehung der Kandahar-Piste hat transparent gemacht, was an Baumaßnahmen noch realisiert wird. 2009 ist die Hauptarbeit getan. Dreißig Millionen werden investiert. Was dann noch folgt, sind Details und Kosmetik. Die Weltcups in den Jahren vorher sind gute Probedurchläufe, Generalproben sozusagen, die wir bisher bravourös bestanden haben.« Er hatte seine Argumente parat, das war offensichtlich.
»Da hat doch ein gewisser Reinhold Messner erst kürzlich Garmisch ganz empfindlich attackiert und als langweilig und verschlafen bezeichnet. Und Flair hat er auch vermisst«, meinte Irmi.
»Ich bitte Sie, Frau Mangold! Herr Messner sagt viel und immer an strategischer Stelle. Er ist ein Medienprofi, und dann muss ich sagen, dass solche Kritik uns eher freut. Bei einem kommunal gesteuerten Fremdenverkehrsamt sind Prozesse eben anders als bei einer Tourismus GmbH. Darum gibt es jetzt auch eine neue Marketingabteilung, ein Leitbild und jede Menge Anstrengungen aus der Kurverwaltung, um einen modernen Betrieb mit einer ganz besonderen Marke zu kreieren.«
»Eine Marke, die Schaden
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