Tod auf der Piste
nimmt, wenn einer immer stänkert, oder? Der gute Ernst Buchwieser muss Ihnen doch sauer aufgestoßen sein.« Irmi sah ihn herausfordernd an.
»Liebe Frau Mangold, nicht bloß mir, nicht bloß mir! Ernst ist auch den Hoteliersverein scharf angegangen.«
»Das habe ich gelesen. Aber so unrecht hatte er doch nicht. 1,3 Millionen Übernachtungen hat Garmisch jährlich, und da gibt es genug Betriebe, bei denen wahrlich kein Leidensdruck herrscht. Wenn die Zimmer voll sind und immer voll waren – wieso sollte man dann in Modernisierungen investieren?«
Irmi wusste in dem Fall, wovon sie sprach. Ihre Tante hatte eine Pension nahe der neuen Schanze, deren Interieur man getrost als marode bezeichnen konnte. Das Klo lag auf dem Gang, die Duschen hatten noch immer diese braunen Siebzigerjahrefliesen, und die Vorhänge waren in einem Design gehalten, das bestimmt schon dreimal »in« und wieder »out« gewesen war. Aber die gute Tante Walburga fand das völlig in Ordnung. Sie hatte ja Gäste, und wenn sie mal keine hatte, war es ihr auch egal. Ihre Witwenrente reichte locker aus. Andere aber mussten vom Tourismus leben und hatten Buchwieser sicher zugestimmt, der die Werdenfelser Mir-san-mir-Mentalität angeprangert hatte.
»Wir erschließen mit dem Tourismus neue Märkte, die Golfstaaten sind sehr interessant geworden, Indien auch. Und genau deshalb brauchen wir diese WM. Als Visitenkarte«, sagte Grasegger. »Mir geht es um Nachhaltigkeit. Was die eigentliche WM betrifft, ist alles geregelt. Die Teamhotels stehen fest, zudem ist mehr oder minder geklärt, wo die FIS und die Pressevertreter unterkommen werden. Viele Hotels ernten die Früchte der guten Arbeit während der Weltcuprennen der letzten Jahre. Ein Nationen-Team, das über die Jahre zufrieden war, wird auch für eine WM auf das gleiche Hotel zurückgreifen.«
»Apropos: Sie haben Ettal gedroht, das Hotel zu boykottieren und das Bier auch, wenn Ernst Buchwieser so weitermacht?«
»Na, ich habe nicht persönlich gedroht, aber ich hatte ein Gespräch mit dem Cellerar, und wir waren uns einig, dass Ernst sowohl den Namen Ettal als auch die WM in Misskredit bringt. Wir müssen eben zeigen, dass wir nicht bereit sind, die Aktionen eines Schullehrers zu tolerieren. Da ist eben auch sein Arbeitgeber gefragt!«
»Der Schullehrer war mal Ihr Freund!«
»Das ist er bis heute.« Er unterbrach sich. »Das heißt, das war er all die Jahre. Sie dürfen das nicht so – verzeihen Sie – weiblich sehen. Wir Männer haben Differenzen, aber deswegen können wir am Abend trotzdem eine Halbe zusammen trinken!«
Ja, das kannte sie und würde es nie verstehen. Ihr Bruder war genauso. Verfeindet, verbiestert, zerstritten am Tag, und abends im Festzelt wurde angestoßen. Sie fand es falsch und feig und verlogen.
»Das überzeugt mich aber nicht«, erwiderte sie. »Die Brauerei hat gedroht, als Sponsor auszusteigen, da geht es um Millionen, nehme ich an. Darunter leidet so eine Freundschaft dann doch empfindlich, oder, Herr Grasegger?«
»Es wird doch nicht alles so heiß gegessen wie gekocht. So ein Schuss kann auch mal nach hinten losgehen, denn man sieht sich im Leben zweimal oder dreimal. Auch mit der Brauerei standen Gespräche an.«
»Die ja nun alle hinfällig sind, weil Buchwieser mundtot gemacht wurde. Wo waren Sie denn am Sonntag?«
»Mit Hubert und Sepp beim Laufen.«
»Mit Ihren alten Kumpels?«
»Ja, sicher. Wir kommen alle in die Jahre und da…« Lächelnd klopfte er sich auf den Hendlfriedhof. »…müssen wir was tun. Wir hatten jetzt eine längere Winterpause, aber wir wollen unseren kleinen Lauftreff wieder aufleben lassen.«
»Soso, wie lange laufen Sie denn da immer?«
»Nun, mit Aufwärmen und Dehnen alles in allem anderthalb bis zwei Stunden. Und hinterher gehen wir zum Hubert auf ein Weißbier. Sein Haus liegt in der Waxensteinstraße. Weißbier ist ja als Getränk isotonisch.«
»Und wo laufen Sie?«
»Meist unsere Hausstrecke von Huberts Haus an der Bahn entlang, manchmal zum Riessersee hoch.«
»Auch am vergangenen Sonntag?«
»Ja, sicher.«
Irmi hatte sich ein paar Notizen gemacht. »Das können Ihre Freunde auch bestätigen?«
»Natürlich. Also, Frau Mangold, um es Ihnen noch mal ganz klar zu vermitteln: Für mich ist diese WM die Chance der Dekade. Ich tue viel dafür, aber nicht alles. Ich morde nicht. Aber überlegen Sie mal: Mit der Olympiabewerbung von München für 2018 wird Garmisch-Partenkirchen 2011 zur Werbeaktion, zur
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