Tod auf der Piste
aufgeregt. Sie war blass und hatte Augenringe, aber ihre Augen funkelten.
»Solltest du nicht zu Hause bleiben?«, fragte Irmi.
»Ach was, so ein Krampf. Das geht schon. Ich muss doch was tun. Außerdem haben die Uniformierten angerufen: Sie haben Rieger geschnappt!«
»Was?«
»Ja, sie müssen jeden Moment hier sein. Und es kommt noch besser: Der Hase hat zwei Berichte geliefert. Über Rieger und die Kandahar. Den Bericht zu Rieger hab ich gerade gelesen.«
»Und?«
»Die Waffe ist eine andere als die, mit der Buchwieser erschossen wurde. Das heißt ja nix. Vielleicht hat der noch andere Waffen. Aber die Drohbriefe sind von ihm. Die Spusi hat Schnipsel und Zeitschriften im Ofen gefunden – da hat der gute Rieger offenbar eine nette Bastelarbeit aus TV-Movie und der Bunten gezaubert.« Kathi war richtig euphorisch. »Und das soll uns dieser Grattler jetzt mal erklären.«
»Wo haben sie ihn denn gefunden?«, fragte Irmi aufgeregt.
»Er hatte sich in seinem Hotel verkrochen. Ist in der Nacht zurückgeschlichen. So einfach war das«, erwiderte Kathi.
In dem Moment ging die Tür auf. »Herr Rieger wäre jetzt da. Etwas fußlahm.« Der Kollege zwinkerte ihnen zu.
Herein kam ein Rieger an Krücken, den rechten Knöchel bandagiert.
»Herr Rieger, sind Sie über Ihre Kröten gestolpert?«, fragte Irmi.
»Gjagt hom’s mi wie an Hund, die Grattler von der Polizei!«
Für ein paar Sekunden war Irmi sprachlos. Nein, dieser Mann würde nie Einsicht zeigen. Er hatte immer recht, es war nur seine Umgebung, die sich renitent gegen ihn wandte. Die anderen waren schuld, die Gesellschaft, die Nachbarn, die Verwandten. Er litt unter einer beispiellos verzerrten Wahrnehmung.
Plötzlich hörte Irmi sich brüllen: »Rieger, du Bandit, du hast auf uns geschossen. Du hast meine Kollegin verletzt. Du hast uns bedroht. Was glaubst du, was es da gibt! Versuchter Mord, versuchter Totschlag? Rieger, die sperren dich so lange weg, dass dein Hotel über die Jahre wie ein Dornröschenschloss aussehen wird. Du kriegst keinen Fuß mehr auf die Erde, darauf kannst du deinen Arsch verwetten! Herrschaftszeiten!«
Kathi hatte die Augen weit aufgerissen, Sailer auch. Irmi lauschte erstaunt dem Widerhall ihrer Worte. Rieger starrte sie an und schwieg.
Nach einer Weile sprach Irmi weiter und ging dabei wieder zum Sie über: »Wenn Sie ohne Anwalt nichts sagen wollen, haben Sie natürlich die Gelegenheit, einen anzurufen. Das hier ist eine Morduntersuchung, falls das jetzt noch nicht bis an Ihre Hirnrinde vorgedrungen sein sollte.«
Rieger sagte immer noch nichts.
Irmi feuerte den Bericht der Spurensicherung auf den Tisch. »Sie haben nette kleine Briefe an Ernst Buchwieser gebastelt. So viel kreatives Talent hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.« Die Ironie war an Rieger natürlich wieder verschwendet – in dieser Hinsicht fehlte ihm jeglicher Sinn. Also versuchte sie es noch mal in lauterem Ton: »Ja, wird’s jetzt mal was? Warum die Briefe?«
»Weil er wegg’hert, der feine Herr Schuilehrer.«
»Das heißt: Sie geben zu, diese Briefe zusammengeschustert zu haben?«
»I sog doch, der g’hert weg.«
»Und jetzt ist er weg, weil Sie ihn von der Piste geballert haben. So wie Sie auf uns geschossen haben, gell, Rieger?«
»Hätt i eam treffn wolln, hätt i eam a troffn«, raunzte er. »I hab in d’ Luft gschossn. A so halt.«
»A so halt, klar! Aber den Buchwieser haben Sie getroffen, weil der ja wegsollte.«
»Ich hab den nicht erschossen!«
»Dann frag ich mich nur, Rieger, wieso Sie unser nettes Gespräch so schnell unterbrochen haben? Wieso Sie abgehauen sind? Wenn Sie doch nichts zu verbergen haben?«
»I mog oafach koane Weiber bei der Polizei. So oafach is des.«
»So einfach ist das leider nicht, Rieger. Die genaue Anklageschrift verfasst dann die Staatsanwaltschaft. Also noch mal: Haben Sie die Briefe geschrieben? Und haben Sie auf Ernst Buchwieser geschossen?«
Keine Antwort.
»Wo waren Sie Sonntagvormittag?«
»Dahoam.«
»Gibt’s Zeugen?«
»A paar Kröten hom mi bestimmt gseng.«
Da bewies der gute Rieger ja fast Mutterwitz. »Menschliche Zeugen?«
»Na.«
»Rieger, mich langweilt das. Wir haben hier einen Haftbefehl für Sie. Vielleicht nehmen Sie sich heute Nacht doch mal vor, etwas gesprächiger zu werden. Und schlafen Sie gut, die letzte Nacht draußen war doch sicher ungemütlich.«
»Du Bix, du Pritschn!«, brüllte Rieger.
Irmi wandte sich an Kathi: »Setz Beamtenbeleidigung auch noch auf die
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