Tod auf der Piste
gerade vom Melken, als das Handy läutete. Es war der Münchner Kollege.
»Du schon wach? Um acht!«
»Noch«, sagte er und klang dabei wie ein Zombie. »So eine blöde Drogensache. Aber ich war gestern Abend nicht untätig. Dein Buchwieser hatte einen Interviewtermin bei BR 1, wo er eingeladen war, seine Bedenken zur WM zu äußern, und bei Quer wollte man sich seinen Film ansehen. Der wurde denen für nach Ostern avisiert. Die Redaktion hatte wohl schon mehrfach mit ihm zu tun, und es muss unter den Redakteuren vor allem weibliche Anhänger gegeben haben. Also, wenn noch was ist, melde dich. Gutes Gelingen in Bayerisch-Kongo, ich geh jetzt ins Bett.«
Bayerisch-Kongo, ja ja. Und in diesem undurchdringlichen Urwald würde sie jetzt mal ihre Machete schwingen und sich zu Quirin Grasegger durchschlagen – und zur Wahrheit.
Diesmal marschierte Irmi schnurstracks in sein Büro.
»Wunderschönen guten Morgen! Herr Grasegger, Sie haben mir gestern etwas verschwiegen. Es ging um einen Film, von dem Sie gewusst haben.« Irmi setzte auf den Überrumpelungseffekt, was zu gelingen schien.
Es war das erste Mal, dass Quirin Grasegger nervös wirkte. »Nun, ich habe da was läuten hören…«
»Und zwar was?« Irmi konnte ihrer Stimme durchaus Lautstärke verleihen.
»Nun, es sollte ein Film gedreht werden. Dazu sollten Texte von 1978 eingeblendet werden. Schon damals hatten die Menschen Bedenken gegen die starke Kommerzialisierung. Ernst wollte selbst eine Kamerafahrt auf der Kandahar machen und dazu die Montur von Kurt anziehen. Das sollte so ein Rührstück werden. Eine skandalöse Idee!«
Irmi schluckte und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. »Sie sagen, es sollte ein Film werden. Wer sollte den Film drehen? Sie haben ziemliche Detailkenntnisse, oder? Woher?«
»Also, Frau Mangold, das ist jetzt etwas schwierig…« Er wand sich.
»Woher haben Sie die Info?«, beharrte Irmi.
»Von meiner Tochter.«
»Von Ihrer Tochter?«
»Ja, Beatrice geht in Ettal zur Schule, und sie hat erfahren, dass diese vermaledeite Umwelt-AG was plante.«
»Die Umwelt-AG?«
»Ja, das sind die bedauernswerten Schüler, die Ernst immer vor seinen Karren gespannt hat. Er hat ja mit merkwürdigen Aktionen von sich reden gemacht. Und die Schüler mit reingezogen.« Quirin Grasegger klang angewidert.
»Ist Ihre Tochter auch in dieser AG?«
»Nein, bewahre! Dann könnte sie sich ihr Reitpferd abschminken!«
»Woher weiß Ihre Tochter das dann?«, wollte Irmi wissen.
»Ach, sie ist mit so einem Verblendeten befreundet. Für meinen Geschmack ist das viel zu früh. Ein Mädchen mit fünfzehn braucht noch keinen Freund, aber meine Frau lässt ihr das durchgehen.«
»Und der Junge ist in der AG?«
»Ja.«
Die Jungs! Darauf hätte sie gestern schon kommen können. Irmi fragte mehr rhetorisch. »Name?«
»Also, Frau Mangold, ich weiß jetzt nicht…«
Irmi sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Dann sage ich es Ihnen. Lutz Rasthofer.«
Quirin Grasegger wich die Farbe aus dem Gesicht. Und er schwieg. Offenbar hatte er ausnahmsweise keine vorgefertigte Rede parat.
»Herr Grasegger, wissen Sie, diese weibliche Sichtweise der Dinge hat auch ihre Vorteile.« Sie hatte sich erhoben. »Ich werde sicher noch Fragen haben. Ich komme dann wieder auf Sie zurück.«
Sie ging und verkniff es sich, sich umzusehen. Sie wusste, dass er ihr hinterherstarrte. Heute war sie gut gewesen, aber es fiel ihr auch leichter, mit einem Grasegger Kräfte zu messen als mit der klerikalen Intelligenzija.
Irmi ging langsam auf ihr Auto zu. Lutz, der feingliedrige Junge, der Mumm und Ehrgeiz bewiesen hatte, wusste also deutlich mehr, als er zugegeben hatte. Und plötzlich kam ihr ein Gedanke: Was, wenn Lutz und sein Freund Robin die »Jungs« auf dem Notizzettel waren? Wenn sie wirklich auf der Piste gewesen waren, um einen Film zu drehen? Dann hatten sie den Mord vielleicht gefilmt!
Irmi führte sich das Gespräch mit den beiden noch mal vor Augen. Waren sie nicht eine winzige Spur zu aufgelöst gewesen? Sie hatte das auf den Verlust ihres Gurus zurückgeführt. Aber wenn die Jungs Zeugen des Mordes gewesen waren, dann war es kein Wunder, wenn sie so fassungslos gewirkt hatten! Womöglich existierte ein Film, auf dem der Krötenschänder Rieger zu sehen sein würde, den man sicher heute fassen würde, und der Fall wäre gelöst. Klang gut, war aber immer noch eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten.
Als Irmi ihr Büro betrat, war Kathi da und wirkte ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher