Tod auf der Piste
Gehwege, die nicht ordentlich vom Schnee befreit waren… Es gab Momente, in denen Irmi dem lieben Gott dankte, dass sie auf einem Bauernhof aufgewachsen war und nicht in einem solchen Wohnviertel.
»Sailer, Sie sind ein Genie!«, rief Irmi.
»Ja«, sagte Sailer schlicht.
»Allerdings kann der Mann natürlich sonst wo über die Pisten gewedelt sein«, sagte Irmi.
»Des duat ma nimma.«
»Was?«
»Ma wedelt nimma. Ma carvt.«
»Ähm, ja, Herr Sailer, der Skisport ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Aber Sie müssen mir zustimmen, dass das erst mal wenig beweist. Rasthofer hat in Mering seine Skier, äh… Carver ins Auto geladen. Ob er in Garmisch war, wissen wir nicht. Es sei denn…«
»…jemand hot ’n geseng oder sei Auto«, sagte Sailer. »Und des hot oaner!«
»Bitte?«
»Mei Schwoger, der Strobl Luisl, arbeitet bei der Kreuzeckbahn und hat dem Rasthofer sein Karren gseng. Der hot do so bled hiparkt, dass der Luisl eam scho abschleppen lassn woit.«
Irmi starrte Sailer an. »Wie?«
»Der Depp hot bis vor d’ Haustür hiparkt, bis vorn Heimhof. Do hom s’ eam dann gseng, dann hom s’ rumghakelt, und dann is er aber doch ins Auto und wegfahrn.«
Irmi starrte ihn immer noch an. »Sailer, Sie sind ein Genie. Wirklich.«
»Ja, i woaß«, meinte Sailer und verabschiedete sich in den Feierabend, der längst schon begonnen hatte. Er hatte extra auf Irmi gewartet. Das war Einsatz. Irmi war sich sicher, dass er diese Überstunde akribisch verzeichnet hatte.
Irmi holte sich einen weiteren Kaffee. Als sie gerade Milch hineinkippte, polterte Kathi herein. So schmal sie auch war, Anmut war nicht ihr zweiter Vorname, manchmal trampelte sie, als würde sie das Dreifache ihres Fliegengewichts wiegen. »Er war da!«, rief sie schon in der Tür.
»Der Cellerar?«
»Er war da. Er hat sich am Parkplatz mit einem Mann getroffen, der die Felle auf seine Ski gezogen hat und am Rand der Piste hochgegangen ist.«
Irmi war schon versucht zu fragen, woher sie das hatte, aber sie verkniff sich die Frage. Damit hätte sie vermittelt, dass sie Kathi gar nichts zutraute. Stattdessen lobte sie: »Super gemacht. Und der andere Mann?«
»Ja, also das Auto war ein…«
Irmi unterbrach die Kollegin. »Er fuhr einen Porsche Cayenne mit Arsch-im-Cockpit-Kennzeichen.«
»Was?«
»Arsch im Cockpit, AIC, Aichach-Friedberg. Pass auf, Kathi, ich erzähl dir jetzt mal die gloriose Heldentat unseres Herrn Sailer.« Irmi berichtete, und Kathi schüttelte am Ende nur noch den Kopf.
»Sailer! Ich dachte, der kann nicht mal Leberkässemmeln für alle kaufen.«
»Tja, in dem Mann stecken verborgene Talente.« Irmi lachte und wurde dann wieder ernst. »Wir haben also folgende Situation: Der Pater und der Vater von Lutz Rasthofer treffen sich am Parkplatz. Rasthofer geht am Rand der Piste hoch.« Sie stutzte. »Ist das nicht auffällig und zudem blöd, wenn es Lifte gibt?«
»Nein, Skitourengeher auf der Piste sind in den letzten Jahren eine Art Seuche geworden. Manche Gebiete untersagen das inzwischen. Er wäre wahrscheinlich gar nicht gesehen worden, weil an dem Tag jede Menge dieser alpinen Fitnessjünger unterwegs waren. Wenn nicht der Cayenne so blöd geparkt gewesen wäre, wie du sagst, hätten die gar kein Aufsehen erregt.«
»Gut, Rasthofer ist auf der Kandahar. Dort fährt Ernst Buchwieser in seiner historischen Montur spazieren und wird von einer Kugel getroffen. Wer hat geschossen? War es Rasthofer oder gar der Pater, der nur gewartet hat, bis Rasthofer weg war, und dann auch losgezogen ist?«
»Keine Ahnung. Und außerdem wissen wir immer noch nicht, warum da Platzpatronen rumlagen.« Kathi zupfte an ihren Haaren herum.
Es war eine Weile still, bis Irmi sagte: »Gehen wir mal davon aus, dass die beiden Jungs auch am Berg waren, dann sind es schon vier.«
»Vier Leute, vier Patronenhülsen, meinst du das? Eine scharf, die anderen nicht. Aber das ergibt doch alles keinen Sinn!«, rief Kathi.
»Nein, ich weiß. Und dann haben wir immer noch Rieger, der zweifelsfrei diese Drohbriefe geklebt hat. Und der auch schießen kann. Wenn der scharf geschossen hat, wie passen dann die anderen vier ins Bild? Wir müssen unbedingt mit Lutz Rasthofer reden oder seiner Freundin Beatrice, die aparterweise die Tochter von Quirin Grasegger ist.«
»Sag mal, dieser Grasegger, wo war der noch mal am Sonntag? Du hattest mir das schon mal gesagt«, warf Kathi ein.
»Beim Joggen mit den alten Kumpels«, sagte Irmi.
»Haben wir das
Weitere Kostenlose Bücher