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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Eifersucht das älteste Motiv der Menschheit ist. Ist es das, Frau Mangold?«
    »Eifersucht ist ein starkes Motiv, Liebe überdies auch. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen, was es mir nützen könnte zu wissen, dass Sie ihn geliebt haben. Es nützt mir insofern, als ich verstehen will, wer Ernst Buchwieser war. Weil ich dann leichter herausfinden kann, wer ihn ermordet hat.«
    »Sie haben doch sicher viel über ihn gehört, reicht Ihnen das nicht?«, fragte Martina Jochum. »Die Tatsache, ob ich ihn geliebt habe oder nicht, ändert doch wirklich nichts.«
    »Nun ja, durch die Liebe zu Ihnen würde aus einem Abgott, einem Guru, einem Sektenführer wieder ein Mensch«, meinte Irmi.
    Martina Jochum lächelte wehmütig. »Er war nicht so göttlich. Natürlich war er ein Mensch – verletzlich, sensibel, inmitten der vielen Gedanken, die ihn umtanzt haben wie Herbstblätter im Sturm.«
    Das klang nicht nach dem Bild von Ernst Buchwieser, das Irmi sich zusammengezimmert hatte. In ihrer Vorstellung hatte er vor Stolz und Unanfechtbarkeit nur so gestrotzt.
    »Seine Freunde, seine Wegbegleiter, seine Kollegen und Vorgesetzten haben ihn mir anders beschrieben. Kühn, souverän, unbesiegbar, ja, auch selbstherrlich und schonungslos.«
    Martina Jochum lächelte wieder. »Er war kühn und souverän, er war aber nicht unbesiegbar, und das wusste er auch. Er war keiner der Männer, die nur in Kampf- und Kriegsterminologien leben, die Schlachten gewinnen oder verlieren.« Sie stockte kurz. »Fragen Sie einen Mann, was er vom Leben will. Sie werden immer Antworten bekommen, die auf Macht, Aufstieg oder Materielles abzielen. Fragen Sie eine Frau, und Sie werden komplett andere Antworten erhalten. Es wird eher um etwas Spirituelles gehen, um Glück, um Liebe, um Zufriedenheit, um Gelassenheit. Vielleicht darum, dass es den Kindern gut gehen möge.«
    Irmi sah Martina Jochum genau an. »Und Sie wollen mir sagen, Ernst Buchwieser ging es nicht um Macht? Für mich sieht es nämlich ganz danach aus.«
    »Ernst konnte die Ebenen wechseln. Er konnte die Spiele der anderen mitspielen. Er manipulierte Menschen. Er war ihnen einen Zug voraus. Aber er tat das alles, weil er etwas anderes vom Leben wollte, als dem Chef ans Knie zu treten oder sich mit fünfzig unbedingt ein Cabrio zu kaufen.«
    »Soll das heißen, dass er einer der letzten Idealisten war und die Menschen wachrütteln wollte? Der seine Ideale auch unorthodox durchsetzte?«
    »Sie müssen das nicht ironisieren. Er glaubte an Ideale und an die Menschen. Er war kein Zyniker.«
    Irmi ließ das auf sich wirken. Martina Jochum war eine intelligente Frau, sie lebte mit und von Sprache. Sie wählte ihre Sätze sorgfältig. »Warum ist das außer Ihnen niemandem aufgefallen?«, fragte sie dann. »Wieso beschreiben die anderen ihn alle als Nervensäge, Spinner, Despoten oder Sonnenkönig?«
    »Weil sie nicht souverän genug sind.«
    »Und Sie sind es?«
    »Das kann ich Ihnen nicht beantworten, aber ich teile Ernsts Ansicht über die Eigenverantwortlichkeit der Menschen. Auch ich möchte weiterhin glauben, dass Gehirne tatsächlich zum Denken benutzt werden können. Ernst musste provozieren, weil erst dann manche Gehirne den trägen Motor in Gang setzten.«
    Irmi überlegte wieder eine Weile. »Aber hat Ernst Buchwieser die Menschen damit nicht überfordert?«
    »Doch, das hat er. Und er hat sich selbst überfordert.« Nun lag Zärtlichkeit in Martina Jochums Stimme.
    »Hatte er denn Selbstzweifel?«
    »Natürlich, jeder kluge Mensch hat Selbstzweifel!«
    »Genau die sprechen ihm die anderen aber ab«, sagte Irmi.
    »Weil er sie nicht gezeigt hat. Weil er sich nicht sofort jedem geöffnet hat. Vernünftig, wenn Sie mich fragen, oder öffnen Sie sich jedem Erstbesten?« Martina Jochum malte schon seit einer Weile mit ihrem Nordic-Walking-Stock Kreise auf den Boden. Kreise, die aussahen wie Sonnenspiralen auf megalithischen Monumenten.
    »Aber es ging um seine Freunde, um seine Frau. Um Menschen, die Teilstecken des Lebens mit ihm gegangen sind. Das sind die Besten, nicht die Erstbesten. Denen schüttet man doch schon einmal das Herz aus«, argumentierte Irmi.
    »Da war nichts auszuschütten. Entschuldigen Sie, Frau Mangold, aber das Bild ist schief. Ernst Buchwieser schüttete nie sein ganzes Herz aus, es ging um Nuancen, um minimale Veränderungen in seiner Stimme, um winzige Gesten. Ernst hätte erwartet, dass jemand das merkt. Haben seine Freunde aber schon früher nicht und Maria wohl

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