Tod auf der Piste
auch nicht immer.«
»War das nicht etwas viel verlangt? Erwartete er da nicht hellseherische Qualitäten von seinen Mitmenschen?«
»Das nicht, aber ich habe ihm oft gesagt, dass er seine Jugendfreunde überschätzt hat, und wenn sich Mechanismen einmal eingeschlichen haben, dann bricht man diese schwerlich auf.«
»Und sein Verhältnis zu Maria?«, fragte Irmi.
»Maria stand Ernst sehr nahe. Als Frau konnte sie mit dieser intuitiven weiblichen Seite von Ernst viel mehr anfangen als seine männlichen Freunde. Deswegen war sie auch immer dabei. Sie hatte die Sensoren, die Ernst zu schätzen wusste.«
»Aber er hat sie betrogen und ebenfalls überfordert. Sie regelrecht und temporeich überrannt!«, rief Irmi.
»Ja, weil er eben kein Gott war, sondern ein junger Mann mit Hormonen und einem ungeduldigen Körper.«
»Das klingt nach sorgfältiger Analyse. So lange kennen Sie Ernst Buchwieser doch noch gar nicht?«
»Seit vier Jahren kenne ich ihn, und seit zwei Jahren hatten wir eine Beziehung. Ich habe mit keinem Menschen auf der Welt vorher so viel geredet wie mit ihm, und vermutlich werde ich nie wieder jemanden treffen, mit dem ich mich so werde unterhalten können. Ich werde mich nun wieder aufs Passive verlegen. Ich bin Schriftstellerin, da lernt man, gut hinzusehen und noch besser hinzuhören. Eine Fertigkeit, die Sie als Ermittlerin doch auch haben müssen, oder?«
»Entschuldigen Sie, dass ich immer wieder auf den gleichen Punkt zurückkomme. Sind Sie in dieser Hinsicht Maria Buchwieser nicht ähnlich? Ist sie nicht auch eine Frau mit Herzenswärme und Hirn?«
»Sie meinen, er hätte seine Frau nicht betrügen müssen? Er hatte alles, was er brauchte?« meinte Martina Jochum lächelnd.
Irmi fühlte sich wieder ertappt. Schließlich hatte er ja auch seine Frau betrogen… Sie bemühte sich, den Faden wiederzufinden. »Ja, vielleicht so in etwa.«
»Ja, ich glaube, dass Maria seinem Ideal ziemlich nahekommt. Sie war nur zu früh dran. Sie hätte ihn jetzt treffen müssen, als kluge Erwachsene und nicht als das elfenhafte Mädchen, das sie damals war.«
»Wusste Maria von Ihnen beiden?«
»Ja. Sie hat mich aber nie zur Rede gestellt, sie hat mir keine Szene gemacht, sie hat Ernst keine Szene gemacht. Das wäre in ihrer Situation auch keine überzeugende Darbietung geworden.«
Das klang ziemlich kryptisch, fand Irmi. »Was heißt, in ihrer Situation?«
»Maria Buchwieser hat eine Beziehung mit Hubert Deubel, seit Jahren schon.« Sie malte noch einen Kreis auf den Boden.
Irmi kannte solche Situationen. Dieses Gefühl, wenn das Adrenalin einströmte. Wie hatte Martina Jochum vorher gesagt: Gedanken wie Herbstblätter im Sturm. In ihrem Kopf tanzten ebenfalls Gedankenblätter. Sie tanzten wie Derwische. Hubert Deubel und Maria Buchwieser – die Elfe mit dem schwächsten der Fünf Freunde. Seit Jahren schon. Ihre Intuition und Kathis geschwätzige Cousine hatten also recht behalten.
Hatten Maria und Hubert nicht allen Grund, Buchwieser loswerden zu wollen? Hubert Deubels Frau würde sterben, bald schon. Seit Buchwiesers Tod war auch Maria frei. Irmi fragte sich, ob sie in eine völlig falsche Richtung ermittelt hatte. Hatte sie sich von Sympathie leiten lassen? Sie mochte Hubert Deubel, und Maria Buchwieser hatte sie in ihren Bann gezogen. Gleichsam verhext. Feen konnten zaubern, Elfen aus der Anderswelt konnten Gedanken regieren. Wurde sie langsam verrückt? Oder nur alt? War das ein Anzeichen von Burnout oder einfach stressbedingte Hysterie?
»Das überrascht Sie doch nicht wirklich, Frau Mangold, oder? Halb Garmisch glaubt Bescheid zu wissen. So ist das Leben. Die ganzen Fäden sind ineinander verwoben, verknotet.« Martina Jochum lächelte.
Irmi schluckte schwer. Dann straffte sie die Schultern. »Wer hat Ernst Buchwieser ermordet? Ihr Mann?«
»Nein, das hätte ihm nichts genützt. Er hat mich längst verloren.«
»Maria Buchwieser?«
»Nein, sie hatte Ernst auch verloren, das wusste sie. Vor Jahren schon hätte sie diese Beziehung beenden müssen, Ernst tat ihr nicht gut. Zu viel war über die Jahre passiert. Sie hat ihn verloren, obwohl sie ihn vielleicht hätte wiederhaben wollen. Aber zu ihren Bedingungen. Er hätte der Ernst sein sollen, den sie sich gewünscht hat. Mehr zu Hause, ihr zugewandter, weniger schnell in Gedanken und Taten.«
»Ist es denn so ungewöhnlich, wenn man sich von seinem Mann Zuwendung wünscht? Wie hätten Sie es denn gefunden, wenn Ernst mit anderen Frauen ins
Weitere Kostenlose Bücher