Tod auf der Piste
nestelte weiter an den Dirndln und starrte zur Türöffnung.
»Auf der Kandahar, da liegt a Fluach, des sag i dir.«
»Ja, das könnt man durchaus glauben. Das war schon tragisch damals, 1978. Und jetzt schon wieder. Der Buchwieser ist fast an der gleichen Stelle gelegen wie einst der Flori. Das ist doch grausig, oder?«
»Ja, grausig. So, und jetzt müss mer schaugn, dass ma in die VHS kemma. Es is scho glei elfe.«
Die Türklingel ging, und Irmi atmete tief durch. Langsam hängte sie das Dirndl, das sie herausgezogen hatte, wieder auf. Das musste warten. Die Inhaberin war in ein Hosenberatungsgespräch (»Der hot koan Oarsch in der Hos’n«) vertieft und quittierte Irmis Gruß mit einem Nicken. Die Katze auf der Theke blickte unwirsch, und Irmi trollte sich nach draußen.
Die Ski-WM von 1978. Der Depp vom Gudiberg. Die abgerissenen Stöcke. Der unselige vierte Platz. Später dann der Suizid von Kurt Buchwieser. 1978 – ein tragisches Jahr, na gut. Irmi hatte zwei abgebrochene Stöcke bis gerade eben nicht so richtig tragisch gefunden. Und plötzlich fiel ihr auf, dass sie stets und immer über den Gudiberg gesprochen hatten, von der Kandahar war nie die Rede gewesen! Und wer um alles in der Welt war Flori?
Irmi sah auf die Uhr. Maria Buchwieser würde gleich ihren Kurs geben, vielleicht konnte sie sie noch abfangen.
Die Volkshochschule mit ihren vielen Klötzchenbauten und all den Eingängen. Was ist wohl Luna-Yoga?, fragte sich Irmi, während sie vor dem Hauptgebäude stand und den Raumbelegungsplan studierte. Auf einmal sah sie Maria Buchwieser kommen. In der schwarzen Hose und der taillierten Wolljacke sah sie zerbrechlich aus. Es schien, als hätte sie seit ihrem letzten Zusammentreffen am Sonntag einige Kilo abgenommen.
»Entschuldigung, könnte ich Sie kurz sprechen? Ginge das? Falls Sie Ihren Kurs einige Minuten warten lassen können.«
Maria Buchwieser nickte. »Ich sag nur schnell Bescheid.«
Wenige Minuten später war sie wieder da. »Haben Sie etwas wegen dem Film erfahren? Und was hat Quirin eigentlich damit zu tun?«, fragte sie.
»Zu dem Film möchte ich momentan nichts sagen. Quirin Grasegger hat insofern damit zu tun, als er von dem Projekt gewusst hat. Ich möchte Ihnen eigentlich eine ganz andere Frage stellen. Mittlerweile habe ich nämlich mit Martina Jochum gesprochen. Warum haben Sie mir verschwiegen, dass Frau Jochum mit Ihrem Ernst zusammen war und Sie ein Verhältnis mit Hubert Deubel haben?«
Maria Buchwieser sank auf die Treppenstufen am Eingang und schwieg.
»Frau Buchwieser, Ihr Mann hatte ein Verhältnis, Sie haben eins. Sie erzählen mir lange und eindrücklich von den Fünf Freunden, und das verschweigen Sie?«
»Was hätten Sie gedacht? Was, Frau Mangold? Sie hätten doch sofort Hubert verdächtigt und mich gleich dazu. Weil Sie geglaubt hätten, dass wir beide Ernst aus dem Weg hätten haben wollen oder dass ich Martina gehasst hätte. Aber beides stimmt nicht!« Maria Buchwieser hatte etwas Flehendes in den Augen.
Nein, diesmal würde sie sich vom Zauber dieser Fee nicht einwickeln lassen. Diesmal nicht, und wenn sie auf ewig der Trampel war, der es nie zur Elfe bringen würde. Sie straffte die Schultern. »Ja, Frau Buchwieser, was hätte ich wohl gedacht? Natürlich hätte ich Ihren Freund zu den Verdächtigen gezählt. Aber was, glauben Sie, denke ich jetzt? Mit Ihrem Schweigen machen Sie es doch viel schlimmer!«
»Ich weiß, aber ich konnte nicht anders. Mein Mann wird erschossen aufgefunden, und ich soll Ihnen sagen, dass ich eine Beziehung zu einem seiner Freunde habe?«
»Ja, und Sie hätten mir ja auch gleich sagen können, dass Ihr Mann mit Martina Jochum zusammen war. Jeder von Ihnen wusste vom anderen, oder?« Irmi beobachtete sie genau.
Maria Buchwieser atmete tief durch. »Ja.«
»Ein Ja genügt mir nicht. Was war das: Ringelpiez mit Anfassen, Bäumchen wechsel dich, modern times?« Irmi wurde lauter, als sie eigentlich wollte.
»So einfach war das alles nicht. Und es ging auch nicht ohne Verletzungen ab. Ernst hatte immer andere Frauen, in all den Jahren, und irgendwann wurde aus Hubert mehr als ein Freund. Insgeheim hatte ich immer gehofft, Ernst würde erwachsen werden. Ich hätte Hubert aufgegeben, alles aufgegeben, wenn Ernst mir einmal hundert Prozent von sich gegeben hätte, ach was: achtzig Prozent hätten mir genügt! Hundert Prozent Buchwieser gab es eh nur für ihn selbst.«
Maria Buchwieser kauerte immer noch auf den Stufen. Es hatte
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