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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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und krauses Haar. Heute gab es so was im politisch korrekten Kinderzimmer sicher nicht mehr, ebenso wenig wie Mohrenköpfe, die jetzt Schokoküsse hießen. In ihrer Schule hatte der Hausmeister Mohrenkopfsemmeln verkauft, und keine Mutter hatte da Bedenken gehabt. Weder wegen der politischen Aussage noch aus ernährungsphysiologischen Grundsätzen.
    Irmi verscheuchte die Gedanken, die sie ablenkten, und versuchte, sich auf die Erzählung von Maria Buchwieser zu konzentrieren.
    »Als die normale Fahrzeit längst überschritten war, habe ich nach oben gefunkt. Ernst konnte nur sagen, dass Flori losgefahren sei. Nach einer Weile kamen Quirin und Ernst unten an.«
    »Ja und?«
    »Sie sagten, dass Flori tot sei.«
    »Aha, und dann sind die verbliebenen lustigen Freunde wieder zurück ins Evergreen, oder was?« Irmi wurde allmählich wütend. Auf Maria Buchwieser, mehr aber noch auf diese fünf vermaledeiten Freunde.
    »Flori war tot, und Quirin war völlig durch den Wind. Wenig später sind Hubert und Sepp aufgetaucht. Dann hat Ernst die Sache in die Hand genommen. Er ist noch mal zur Unfallstelle aufgestiegen. Nach einer endlosen Zeit war er wieder da und hat gesagt, dass wir…«
    »Halt, stopp! Frau Buchwieser, warum waren Sie dabei? Warum haben Sie das mitgemacht?«
    »Ich war doch immer dabei. Das Maskottchen der Gang, die Offizielle an der Seite des Helden. Ich war dabei, wenn die Fünf Freunde zu ihren Abenteuern zogen. Ich war auserwählt. Beneidet. Gehasst von vielen Mädchen. Ich wollte das so. Damals.«
    Es lag solch ein Schmerz in ihrer Stimme, dass Irmi unwillkürlich einen kleinen Schritt rückwärts machte. »Sie waren also am Ende alle im Zielraum, als Ernst wiederkam?«
    »Ja, Quirin war völlig zusammengebrochen, der Hubert kotzte in einem fort, ich weinte, Sepp versuchte mich zu trösten. Und dann kam Ernst und sagte, wir sollten zusammenpacken und nach Hause gehen. Er schlug vor, dass wir uns am nächsten Tag wie immer im Drugstore zum Frühstücken treffen sollten.«
    »Wie bitte? Sie haben Flori einfach liegen lassen?«
    Maria Buchwieser nickte.
    Irmi war sprachlos. Sie bemühte sich, ihre Gedanken zu sortieren. Hunderte von Fragen huschten vorbei. Bilder kamen und verflüchtigten sich wieder. »Und am nächsten Tag?«, war alles, was sie herausbekam.
    »Passierte gar nichts. Das war es ja! Ich dachte, jede Sekunde würde uns die Polizei verhaften, aber es passierte eben gar nichts!«
    »Aber Flori wurde doch vermisst?«, fragte Irmi.
    »Ja, seine Mutter hatte ihn gesucht, natürlich auch bei uns. Wir haben alle gesagt, dass wir im Evergreen gewesen seien und sich dort unsere Wege getrennt hätten. Das hat ja auch gestimmt, bis zu einem gewissen Punkt.«
    Bis zu einem gewissen Punkt! Was für eine Formulierung dafür, dass ein betrunkener junger Mensch in eisiger Nacht sein Leben auf einer Skipiste gelassen hatte! Das war einfach zu absurd, zu krank.
    »Seine Mutter hatte ihn als vermisst gemeldet. Die Polizei hat ihn dann nach zwei Tagen gefunden. Es hatte in der Nacht, als wir, als Flori… Also, es hatte stark geschneit und am nächsten Tag noch einmal. Es war so ein typischer Frühjahrsschneefall, der mit aller Heftigkeit zeigen will, dass er noch die Macht hat. Dass er die Berge noch lange nicht aus seinen Krallen lässt. Nasser, schwerer Schnee war das.«
    »Aber es muss dann doch eine polizeiliche Untersuchung gegeben haben?« Irmi war immer noch völlig konsterniert.
    »Ja, gab es auch. Aber die verlief im Sand. Oder im Schnee, besser gesagt, im Schnee, der über alles Leid eine dicke weiche Decke legt. Wir haben alle ausgesagt, dass wir Flori nach dem Evergreen nicht mehr gesehen hätten. Ernst hat der Polizei sogar erzählt, dass Flori von einer Nachtfahrt auf Ski gesprochen hätte, aber dass ihn da keiner für voll genommen hätte. Wir hätten ihm alle nicht zugetraut, so was Hirnverbranntes zu tun. Am Ende haben wir das fast selber geglaubt.« Maria schluckte schwer.
    Irmi erinnerte sich daran, wie Maria Buchwieser in ihrem ersten Gespräch Florian Eitzenberger erwähnt hatte, der inzwischen weggezogen sei. Sie hätte ihr damals auffallen müssen, diese leise Veränderung in ihrer Stimme. Weggezogen, ja auch das war ein Selbstbetrug. Und Hubert Deubel! Der Mann, der so klar und so artikuliert gesprochen hatte und der, als die Sprache auf Florian Eitzenberger gekommen war, plötzlich gestockt hatte. Wie blind war sie gewesen!
    »Sie haben all die Jahre geschwiegen?«, fragte sie.
    »Ja,

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