Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
zu regnen begonnen.
    »Stehen Sie bitte auf.« Irmi schob Maria behutsam bis vor die Vitrine mit der Raumaufteilung. Hier konnte man sich unterstellen. Es war kalt und windig.
    »Weiß Hubert Deubel, dass Sie ihn gar nicht richtig lieben?«, fragte Irmi.
    »So stimmt das nicht, ich liebe ihn. Anders eben. Leiser.«
    »Und er?«
    »Er liebt mich, aber er fühlt sich seiner Frau verpflichtet. So lange ich ihn kenne, also ich meine den erwachsenen Hubert, nicht den Cliquen-Hubsi von damals, ist er in Sorge um seine Frau.«
    »Weiß sie denn Bescheid?«
    »Sie ahnt wohl, dass Hubert eine Beziehung hat, sie gestattet ihm das auch, aber es ist gut, dass sie nicht weiß, dass es sich um mich handelt.«
    »Alle wissen es, nur sie nicht? Ich meine, auch die anderen Fünf Freunde wissen doch Bescheid, oder?«, fragte Irmi.
    »Ja, aber wir alle wollten Angelika schützen.«
    »Wie ehrenhaft!« Irmi konnte ihren Sarkasmus schwer ablegen.
    Maria Buchwieser sah zu Boden. »So einfach war und ist das alles nicht«, wiederholte sie.
    »Gut, lassen wir das. Jetzt muss ich noch mal auf das Jahr 1978 zurückkommen. Wir haben lange über Kurt gesprochen, über sein Pech beziehungsweise über die Manipulation seiner Stöcke. 1978 ist aber noch etwas passiert, oder?«
    Maria Buchwieser schwieg.
    »Wer war Flori?«, hakte Irmi hartnäckig nach.
    »Florian Eitzenberger.«
    »Einer der Fünf Freunde, oder?«
    »Genau.«
    »Maria, ich glaube Ihnen gern, dass all diese alten Sachen schmerzlich für Sie sind, aber könnten Sie mir bitte jetzt mal die ganze Geschichte erzählen?« In Irmis Stimme lag eine leise Gereiztheit. Warum ließen sich die Leute immer jeden Fitzel einzeln aus der Nase ziehen?
    »Einige Wochen nach der WM gab es einen tragischen Unfall. Florian ist nachts sturzbetrunken die Kandahar gefahren und dabei tödlich verunglückt. Er ist gegen einen Baum gedonnert. Er war wohl sofort tot«, sagte Maria Buchwieser leise.
    Irmi ließ das Gehörte auf sich wirken. Einer der fünf Local Heroes, einer aus der Gang um Ernst Buchwieser, raste nachts gegen einen Baum? »Ich verstehe das richtig? Er ist im Dunkeln besoffen die Kandahar runter?«
    »Ja, nur mit Stirnlampe ausgerüstet.«
    »Und warum, bitteschön?« Irmi starrte Maria Buchwieser an.
    »Es ging um irgendeine Wette. Er wollte nachts eine schnellere Zeit als Kurt fahren. Das stand alles noch im Zusammenhang mit diesem ganzen dummen Spott um den DvG. Seine Zeit in der Nacht unterbieten zu wollen, war wieder ein totaler Affront gegen ihn.«
    Irmi versuchte sich in die Situation hineinzudenken. Das fiel ihr einigermaßen schwer. Warum hatten die sich alle so auf Kurt eingeschossen? Warum hatte man die Schmach nicht einfach ruhen lassen? Genau diese Frage stellte sie auch Maria Buchwieser.
    Die überlegte nur kurz. »Weil Schwache mit ihrer Schwäche provozieren? Weil sie nicht ein Mal laut und vernehmlich rufen: ›Halt, es reicht!‹ Kurt hat das nie getan.«
    »Ja, das verstehe ich, aber warum machte Ernst da eigentlich mit? Er litt doch auch unter der Verspottung seines Bruders, oder?«
    »Schon, aber sehen Sie, das war Ernsts Art. Er hätte nicht einfach gegen die Idee gewettert, er hätte nie versucht, die Sache zu stoppen. Er war immer der Meinung, es sei besser, mittendrin zu sein oder gleich vorneweg zu stürmen. Er wollte letztlich sehen, wie der Flori sich selbst bloßstellt. Ernst war sich sicher, dass Flori niemals die Zeit eines Kurt Buchwieser hätte unterbieten können. Und damit hätte sich Flori ein für allemal lächerlich gemacht.«
    Irmi schüttelte den Kopf. »Was für ein Irrsinn! Was für alberne Männlichkeitsrituale! Aber bitte, er war doch nicht allein auf der Piste? Er musste doch auch dokumentieren, wie lang er für die Abfahrt gebraucht hatte, oder?«
    In Marias Augen lag so viel Schmerz, ihre Stimme brach wie splitterndes Glas. »Die Fünf Freunde waren komplett vor Ort. Die vier anderen Jungs waren oben am Start, Flori fuhr, und im Zielraum stand ich. Wir hatten Stoppuhren und Walkie-Talkies dabei. Ernst startete das Rennen, aber Flori kam nie unten an.«
    Die Fünf Freunde, damals legendäre Gaudiburschen, heute honorige Bürger! Irmi hatte immer angenommen, dass es nach Ernst Buchwiesers Tod noch vier Freunde gab, aber da waren es ja längst nur mehr drei. Plötzlich musste sie an eine Tapete aus Kinderzeiten denken. Mit den zehn kleinen Negerlein, die alle endlos lange Giraffenhälse gehabt hatten wegen der ganzen Halsreifen. Und Riesenkreolen

Weitere Kostenlose Bücher