Tod Auf Der Warteliste
hättest, wäre nichts passiert.«
»Wer hat mich denn darum gebeten? Aber lassen wir das, sag mir lieber, wie es dem neuen Patienten geht? Wie ist sein Zustand? Es darf nichts schiefgehen, sonst habt ihr Petrovac im Kreuz!«
»Sein Zustand ist stabil. Der Mann ist stark«, sagte Severino, »wir warten nur noch auf den Kunden aus Basel.«
»Haltet mich auf dem laufenden, Petrovac möchte informiert werden.« Romani stand auf. »Wenn ihr nichts dagegen habt, gehe ich jetzt. Ich habe noch zu tun. Zur Beerdigung morgen komme ich nicht.«
Samstagserwachen
Laura hatte nicht gehört, daß er aufgestanden und aus dem Schlafzimmer geschlichen war. Er gähnte lange und streckte sich. Er hatte wenig und schlecht geschlafen. Sogar der Hund hatte sich, kaum daß sie ins Büro gekommen waren, gleich neben die Heizung gelegt und schnarchte tief vor sich hin. Proteo Laurenti wollte den Samstag vormittag dazu nutzen, die Auswertungen zu sichten, die im Laufe des Vortages zusammengekommen waren, und dringend Klarheit in seine Gedanken bringen. Um sechs Uhr morgens lenkte ihn nichts aus den umliegenden Büros ab.
Es war nach drei gewesen, als sie zu Bett gingen. Patrizia, seine Lieblingstochter, hatte aus Neapel erzählt, wo sie als Studentin an archäologischen Grabungen beteiligt war. Erst vor kurzem hatten sie einen spektakulären Fund von guterhaltenen menschlichen Überresten gemacht, samt Kleidung und Broschen, und herausgefunden, daß es zwei römische Sklaven gewesen waren, die vergeblich dem Untergang Pompeijs zu entkommen versucht hatten und auf der Flucht unter der meterdicken Ascheschicht begraben wurden.
Laura, Patrizia, Proteo und seine Mutter waren am Abend zu Franco gefahren. Es war das zweite Mal am gleichen Tag, daß Laurenti dort aß. »Du schon wieder«, sagte Franco, als sie hereinkamen, und gab ihnen Proteos Lieblingstisch im vorderen Raum. Laura berichtete von der Caravaggio-Kommission in Venedig, seine Mutter schwelgte in Erinnerungen an seinen vor vielen Jahren verstorbenen Vater und erzählte stolz von Laurentis Geschwistern, von denen die meisten auf wichtigen Posten saßen. Nur Proteo war Polizist geworden, und es klang wie ein Vorwurf, zumal weil einer seiner Brüder, ein Bäcker, in den letzten zehn Jahren Eigentümer eines Betriebs mit elf Filialen geworden war. In Salerno keine Kleinigkeit, und Proteo zog es vor, gar nicht erst darüber nachzudenken, welche Verbindungen zum organisierten Verbrechen dafür nötig waren. Vom Schutzgeld bis zu den Genehmigungen – er hielt es für unwahrscheinlich, dort unten ohne entsprechende Kontakte zu einem solchen geschäftlichen Erfolg zu kommen.
Erst als sie wieder zu Hause waren und seine Mutter endlich zu Bett gegangen war, konnten Laura und er in Ruhe mit Patrizia über ihr privates Unglück sprechen. Sie war schwanger gewesen, unabsichtlich, und hatte das Kind verloren, aus Versehen. Was für Ausdrücke! Patrizia, mit dem kohlrabenschwarzen Haar, das sie eindeutig von ihm hatte, war derzeit ohne festen Freund, was Proteo einigermaßen beruhigte. Und wieder einmal mußte er den Spott der Frauen über seine Eifersucht ertragen.
Er hatte zuviel getrunken und zuviel geredet, und später im Traum waren all die Gesprächsfetzen wieder über ihn hergefallen und hatten sich mit dem Besuch in der Klinik vermischt, mit dem Gesicht des Präfekten, dem Wortwechsel mit dem Carabiniere, dem Körper Živas, dem roten Spinnaker vor der Stadt und den roten Augen Cluzots. Als ihn dann auch noch ein grimmiger Puma, eskortiert von sechs rosafarbenen Schweinchen, verfolgte, reichte es. Erst eine lange heiße Dusche vertrieb allmählich die Alpträume der Nacht.
Lange betrachtete er den Zettel, der unter dem Scheibenwischer seines Wagens steckte. Es war ein Ausdruck aus einem Computer, und ganz gewiß würde nicht ein einziger Fingerabdruck des Absenders auf dem Standardpapier zu finden sein, das täglich zu mehreren tausend Tonnen über die Ladentische ging. Den Druckertyp könnten die Spezialisten in Padua oder Parma herausbekommen, doch wofür?
»Der Journalist Lorenzo Frei, wohnhaft Strada Costiera 87, Schweizer Staatsbürger, ist der Mörder von Professor Leo Lestizza.«
Die Hausnummer stimmte nicht, sein Rufname Ramses blieb unerwähnt, und Journalist war er auch nicht, sondern Schriftsteller, wie er Laurenti selbst gesagt hatte. Was hatte der, auch wenn er nicht den Eindruck machte, als mangele es ihm an Geld, mit einem Lackaffen von
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