Tod Auf Der Warteliste
Schönheitschirurgen zu tun, der den Reichen die Fettärsche absaugte, Tränensäcke straffte und die Titten richtete? Laurenti überlegte lange, ob er dem Hinweis nachgehen sollte oder nicht, und legte das Blatt schließlich zur Seite. Zur Party morgen war natürlich auch Ramses eingeladen, er würde ihn also fragen können. Heute war Lestizzas Beerdigung, die er aus dem Hintergrund beobachten wollte. Danach müßte er schleunigst nach Hause und Laura bei den Vorbereitungen helfen.
Laurenti griff nach der Akte Lestizza und zog die Liste der Anrufe heraus, die gestern von den Telefongesellschaften eingetroffen waren. Marietta hatte eine Aufstellung obenauf geheftet, aus der er ersehen konnte, wie häufig Lestizza mit wem telefoniert hatte. Drei Kollegen in Istanbul, zwei in Wien, Zürich, Budapest, die Nummer einer großen Bankgesellschaft in Chiasso, Schweizer Grenzort nach Italien und oft genug erwähnt in den Ermittlungen gegen jene, die soviel Geld hatten, daß die italienischen Tresore zu klein dafür zu sein schienen und die in dieser Hinsicht unbegrenzte Schweizer Gastfreundschaft in Anspruch genommen werden mußte. Dann irgendwelche Privatleute und sehr häufig die Telefonnummer des Restaurants im besten Hotel Triests. Dort aber, das erkannte er mit einem Blick an der Regelmäßigkeit der Anrufe, konnte der Arzt eigentlich nur seine Tischreservierungen vorgenommen haben. Laurenti mochte den Laden nicht, Sgubin würde sich darum kümmern müssen, mit wem Lestizza öfter zu Abend gegessen hatte. Diese Telefonate mit Kollegen im Ausland: Sollte Galvano vielleicht doch wieder einmal recht gehabt haben, als er Lestizza als »mobilen Operateur« verdächtigte?
Dann zog er die Kontaktstreifen der Fotos aus dem Aktendeckel. Alles andere als unverfängliche Situationen. Deswegen also hatte es so lange gedauert, bis die Abzüge vorlagen. Wo waren sie wohl in der Zwischenzeit überall herumgegangen? Die jungen Damen auf den Bildern schienen noch kaum das Abitur abgelegt zu haben, als sie mit Lestizza Ferien machten. Verdorben waren sie aber bis auf die Knochen. Mehr Schnappschüsse von Mösen als Porträtaufnahmen. Lestizza war unverkennbar ein Hobbypornograph gewesen, und so isoliert, wie man behauptete, hatte der Mann doch nicht gelebt. Ein spöttischer Vermerk Mariettas wies darauf hin, daß keines der »Gesichter« in der digitalisierten Kundenkartei zu finden war. Laurenti warf die Fotos in die Akte zurück und nahm ein dickes Schriftstück heraus. Tozzi, der Kollege von der Guardia di Finanza, hatte es herübergeschickt. Es war der Gesellschaftervertrag der Klinik auf dem Karst. Laurenti wachte mit einem Schlag auf und überflog das vierundzwanzig Seiten starke Schriftstück. Es gab vier Gesellschafter. Drei kannte er, Lestizza, Morena, Severino. Der vierte war eine Firma aus dem Ausland, aus Valletta, auf Malta. Der Name sagte ihm nichts. Überall existierten dubiose Firmen, von denen keiner wußte, was dahintersteckte. Sicher war nur, daß hinter einer Firma auf Malta, die Anteile an einer Beauty-Klinik auf dem Karst hielt, ganz gewiß keine Malteser standen. Hinter Malta fand sich garantiert eine Firma mit Sitz in der Schweiz, Liechtenstein, Anguilla Islands, auf den Bahamas, und hinter dieser eine weitere vom Balkan oder aus Italien, Österreich, Deutschland. Und so weiter. Und wer kassierte am Schluß? Das Finanzamt ganz sicher nicht.
Er warf einen Blick auf die Uhr und zögerte einen Augenblick. Es war noch nicht einmal halb acht. Živa Ravno meldete sich mit verschlafener Stimme, doch schien sie sich über seinen Anruf zu freuen. »So früh? Warum bist du nicht hier?« fragte sie gurrend.
»Ich bin im Büro.«
»Was ist passiert?«
»Ich konnte nicht schlafen. Sonst nichts. Ich wollte nur deine Stimme hören.«
»Komm doch her.«
»Nichts würde ich lieber tun. Aber nachher ist die Beerdigung dieses Arztes. Ich wollte dich nur hören, bevor ich losgehe. Schlaf nur weiter.«
Er legte auf. Er hatte Schritte in seinem Vorzimmer gehört, und kurz darauf steckte Marietta ihren Kopf zur Tür herein. Laurenti schaute wieder auf die Uhr. So früh war sie sonst nie da, schon gar nicht am Samstag.
»Was machst du hier?« fragte er.
»Ich muß die Hotel-Anfragen abrufen. Vielleicht hat schon jemand geantwortet. Gib deinem Hund etwas Wasser, Proteo.«
Schon war sie wieder verschwunden, und er hörte, wie der Computer an ihrem Schreibtisch hochfuhr. Was war eigentlich los? Živa war nicht enttäuscht, und
Weitere Kostenlose Bücher