Tod Auf Der Warteliste
Und Romani konnte das nicht auf sich sitzenlassen. Petrovac vertrat man nicht, ohne daß man vorher sein Können unter Beweis gestellt hatte. Das Können, die Dinge so zu lenken, daß sich je nach Bedarf die gewünschte Wahrheit ergab, die trotzdem eine große, dreckige Lüge blieb, auch wenn sie nicht weiter verfolgt werden konnte. Warum sollte Laurenti sich dieses Mittels nicht auch einmal bedienen?
»Viel Spaß noch mit Michael Jackson, Avvocato«, sagte Laurenti an der Tür und zog sie hinter sich zu, bevor ihn eine Antwort erreichen konnte. Er lachte in sich hinein, als er die die Treppe hinunterging. Romani mußte rasen vor Wut, und die sollte er diesmal ruhig am Questore auslassen. Laurenti machte einen Satz über die Absperrung am unteren Ende des Aufgangs und landete mit einem lauten Knall seiner Schuhsohlen auf dem Marmorboden der Eingangshalle. Auf der gegenüberliegenden Seite rannte er drei Stufen auf einmal nehmend hinauf in sein Büro. Er sah seinen Hund neben Marietta sitzen. Cluzot hatte eine Pfote auf ihren Oberschenkel gelegt und ließ sich inniglich den Kopf kraulen. Laurenti warf er lediglich einen traurigen Hundeblick zu, als bedauerte er, gleich diesen angenehmen Platz verlassen zu müssen.
»Starker Auftritt, Laurenti. Complimenti.« Die Stimme aus dem Telefonhörer verriet gute Laune. »Auch wenn die Form etwas zu wünschen übrigließ. Aber sagen Sie, sind Ihre Informationen echt? Ihre Verbindungen nach Kroatien sind wirklich hervorragend. Das weiß inzwischen auch Romani. Er will jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie beantragen.«
»Darauf kommt es nicht mehr an. Außerdem müssen Sie sie bearbeiten, Questore. Ich hoffe, daß er wirklich erschrocken ist. Auch Romani muß lernen, daß manche Dinge anders laufen, als er es will.« Laurenti beantwortete die Frage nicht.
»Und was ist mit dem anonymen Hinweis?« fuhr der Chef fort. »Haben Sie diesen Journalisten schon verhört?«
»Er ist mein Nachbar und macht meiner Frau den Hof. Ich knüpfe ihn mir später vor. Das hat keine Eile.«
»Gehen Sie der Sache nach, Laurenti. Romani wartet nur darauf, Ihnen eins auszuwischen.«
»Keine Sorge.«
»Derjenige, der die Anschuldigung in Umlauf gebracht hat, ist klug. Er hat sie offensichtlich bei mehreren Adressaten deponiert, die alle aufmerksam verfolgen werden, wie damit verfahren wird. Es würde mich nicht wundern, wenn sich noch jemand meldet. Seien Sie so nett und halten Sie mich auf dem laufenden.«
Laurenti verzog verächtlich die Mundwinkel. Wie sehr liebte er doch solche Formulierungen, in denen die Freundlichkeiten Befehl wurden. Nur große Tiere konnten sich das leisten. Freundlichkeit als Wasserfall, streng nach dem Gesetz der Schwerkraft. Wer darunter kam, ging automatisch in die Knie. Oder machte einen Sprung zur Seite.
»Man sollte einen Beamten damit beauftragen, der der Sache gewachsen ist«, sagte er. »Ganz wie Romani es will.«
»Manchmal sind Sie ein bißchen überempfindlich, Laurenti.«
»Wie recht Sie haben.«
*
Adalgisa Morena war gereizt. Sie hatte schlecht geschlafen, und auch das Abendessen, das sie mit Urs Benteli bei Scabar, dem Spitzenrestaurant hinter dem Zentralfriedhof, eingenommen hatte, verlief nicht harmonisch. Allein daß Benteli sie nach seinen Chancen fragte, Lestizzas Anteile zu übernehmen, provozierte einen Wutausbruch. Adalgisa hatte ihm vorgeworfen, daß er drängelte, und ihm nichts davon erzählt, daß es ihr Mann war, der sich quergestellt hatte. Erst in der Nacht hatten sie sich nach einer ewigen Diskussion wieder vertragen.
»Wer fährt?« fragte Adalgisa Morena, als alle drei in Trauer gekleidet in ihrem Büro standen.
»Urs.« Severino zeigte auf den Kollegen.
»Warum nehmen wir nicht den BMW?« fragte Adalgisa.
»Ich weiß nicht, wo ich die Schlüssel gelassen habe.« Severino schaute zum Fenster hinaus.
Adalgisa Morena schüttelte ärgerlich den Kopf. »Vielleicht solltest du dich mal eingehend durchchecken lassen, Ottaviano.«
»Laß die dummen Witze. Haben wir Nachricht von dem Patienten aus Basel?«
»Er wird gegen elf eintreffen. Unser Fahrer wartet am Flughafen.«
»Und was ist mit dem Rumänen?«
»Der ist bei den Pferden. Der Pfleger läßt ihn nicht aus den Augen. Wir haben vorhin die letzten Tests gemacht. Es ist alles in Ordnung. Eigentlich schade um einen solchen Kerl. Ich mag ihn fast.«
Adalgisa zuckte die Schultern. »Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät. Samstags weiß man nie,
Weitere Kostenlose Bücher