Tod Auf Der Warteliste
internationales Aufsehen erregte, hatte er vor drei Jahren explosive Hintergründe über die sogenannte China-Route nach Belgrad geliefert, die unter Milošević zum Hauptschleuserweg nach Westeuropa ausgebaut worden war und über die die Behörden anscheinend nicht die Hälfte wußten. Man hatte ihn sogar vor einen Ausschuß der neuen europäischen Polizeibehörde geladen. Danach war es still geworden. Die Vermutung lag auf der Hand, daß er eine neue Fährte aufgenommen hatte. Der Mann war gefährlich, das erkannte Romani sofort.
Sie hatten ihn ein paar Tage lang beobachtet und schließlich Petrovac in dieser Angelegenheit konsultiert. Es war klar, daß dieser Journalist ihnen gefährlich werden konnte, wenn er wirklich seine Nase in die Angelegenheiten der Klinik steckte. »Zero tollerance«, hatte Petrovac befohlen. »Kein Risiko eingehen. Warum warten, bis Beweise vorliegen? Wir sind schließlich nicht bei Gericht.«
Sobald sie seine Lebensgewohnheiten ausgeforscht hatten, sollten die beiden Albaner zuschlagen. Es konnte nicht schwer sein, denn Lorenzo Ramses Frei verbrachte die Abende gewöhnlich alleine in seinem Haus, das fernab der Nachbarschaft stand. Ein Feuer dort oben über der Straße wäre nicht zu löschen. Und daß dies niemand überleben könnte, war klar.
Vasiles Reise
Außer dem Geräusch der sanften Brandung, das vom weit unter den steilen Kalkfelsen liegenden Ufer heraufdrang, war für ein paar Sekunden nur das Keckern der Elstern zu hören. Der Verkehr auf der SS 14, einer der beiden Verbindungsadern, die von Italien in die Stadt führten, war schlagartig erloschen. Dann war aus der Ferne das Tuckern eines Kutters zu vernehmen, den man durch den Nebel, der seit drei Tagen den Golf von Triest wie unter einer schweren Daunendecke begraben hatte, nur ahnen konnte, schließlich in unbestimmbarer Entfernung das dumpfe Schlagen von Hubschrauberrotoren und dann, sich schnell nähernd, das ungleichmäßige Geheul von drei Streifenwagen, die vorneweg fuhren. Die Kolonne der Staatskarossen, eingeschlossen von über zwanzig Begleitfahrzeugen der Polizia di Stato, der Carabinieri und Sondereinheiten, gefolgt von zwei Krankenwagen, donnerte mit genau berechnetem Abstand hinterher. Für die Strecke vom Flughafen bis zum Regierungsgebäude an der Piazza dell’Unità d’Italia, auf das die ganze mediale Konzentration des Tages gerichtet war, sollte sie nicht länger als zwanzig Minuten brauchen.
Vasile hatte sich seit einer Stunde hinter der kleinen Mauer versteckt und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und sich zu beruhigen. Schon dreimal hatte er durch die Zweige des blühenden Ginsters hindurch einen Krankenwagen mit der Aufschrift der Klinik vorbeifahren gesehen. Vasile wußte, daß sie nach ihm suchten. Doch trotz Schwäche und Schmerzen, Kälte und Nässe schlief er schließlich erschöpft ein. Sein unruhiger Traum war von den Bildern der letzten Tage durchsetzt. Am 2. März, vor fast einer Woche, war er von Constañta aufgebrochen. Zuerst an Bord eines alten Zementfrachters. Zusammen mit ein paar anderen jungen Männern wurde er neunzehn Stunden lang in den hinteren Laderaum gesteckt. Die beiden Matrosen, die ihn an Bord brachten, holten die illegalen Passagiere nur nachts für eine halbe Stunde an Deck. Niemand durfte sie sehen. Das wäre das Ende der Reise gewesen. Haydapasar, den Hafen Istanbuls, liefen sie im letzten Tageslicht an. Stunden später brachten die Matrosen Vasile von Bord und trieben ihn hastig über das riesige Hafengelände zu einem anderen Schiff. Er mußte im Dunkeln warten, bis die über Mobiltelefon verständigten Helfer von der »RoRoTurk 18« ihn auf die LKW-Fähre nach Triest führten.
Drei Tage dauerte die Fahrt noch. Doch jetzt war eine Kabine für ihn vorgesehen, gutes Essen und viel Tee. Vasile trank drei Tage lang nur Tee. Er sollte ausgeruht und in guter körperlicher Verfassung sein, wenn er in Triest ankam. Das war eine der Voraussetzungen dieser Reise, von der er viel Geld mit nach Hause bringen wollte. Der Vermittler hatte es ihm versprochen. Zehntausend Dollar! Davon könnten sie lange leben, Vasile und seine Familie. Und sogar Dimitrescu, seinem Zwillingsbruder, könnte er helfen. Er würde sich endlich das Gerät kaufen, das ihm ein regelmäßiges Einkommen sichern sollte: eine generatorbetriebene Maschine auf einem Karren, mit der er Speiseeis herstellen konnte. Entweder in Constañta oder auf der Uferpromenade eines der unweit gelegenen
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