Tod Auf Der Warteliste
Träumen. Natürlich war Galvanos Haus an der Küste ein Schmuckstück, und viele gab es davon nicht oder sie waren kaum zu finanzieren. Aber man konnte weder mit dem Wagen bis vor die Haustür fahren, noch war es in besonders gutem Zustand. Dafür genoß man einen einzigartigen Ausblick über den Golf von Triest, und ein riesiger verwilderter Garten führte über viele Terrassen steil hinab bis ans Meer. Niemand würde sie hier jemals stören. Und hinter dem Haus, oben auf dem Karst, lag das Dorf Santa Croce, wo man die nötigsten Besorgungen machen konnte, wenn man nicht in die Stadt fahren wollte.
»Dann will ich auch wieder einen Hund!« sagte Laura.
»Wer weiß, ob das nicht wieder einer der üblichen Spleens des Alten war.« Laurenti blieb skeptisch. »Er wird immer komischer. Morgen erinnert er sich vielleicht schon nicht mehr daran.«
*
So hatte ihr Familienleben mit viel Glück eine neue Basis erhalten. Lange Zeit hatte Proteo Laurenti Mühe, Laura einen Flirt mit einem häßlichen Versicherungsvertreter zu verzeihen. Über ein Jahr war das her. Er hatte nie gefragt, was wirklich passiert war, aber etwas war sicher passiert. Es dauerte lange, bis er zum ersten Mal wieder unbeschwert mit seiner Frau schlief. Und bis dahin hatte sich etwas anderes zusammengebraut: Živa Ravno, eine kroatische Staatsanwältin, die er damals kennengelernt hatte, war ihm so verdammt nahe gekommen, daß sie die Verbesserung der Zusammenarbeit der Behörden beider Länder geradezu körperlich besiegelten. Doch hatte Laurenti immer deutlich gemacht, daß er Laura nicht verlassen würde.
Živa nahm es gelassen hin. »Wir wohnen ohnehin zwei Autostunden auseinander. Das ist die richtige Entfernung für ein Verhältnis«, hatte sie gesagt und ihm einen heißen Kuß aufs Ohr gedrückt. Damit war Proteos Doppelleben beschlossen. Ein-, zweimal die Woche trafen sie sich auf halbem Weg in Slowenien, dem Land, das zwischen ihnen lag. Pirano, Portorose, Capodistria. Hotels gab es genug, in denen sie für einige Stunden ein Zimmer bekamen, sogar während der Hochsaison im letzten Sommer, als wegen der Wirtschaftskrise in Deutschland viele Touristen ausgeblieben waren.
Der Vorschlag, das Haus an der Küste gegen die Wohnung in der Stadt zu tauschen, war kein Spleen des alten Galvano geblieben, und die Konsequenzen brachten Stabilität in das angeschlagene Eheleben der Laurentis. Pläne waren zu schmieden, Formalitäten zu bewältigen und Projekte zu machen, Einrichtungs- und Renovierungsarbeiten zu organisieren, Handwerker anzuweisen und Materialien auszuwählen. Marco, das jüngste ihrer drei Kinder, hatte inzwischen das Abitur mit einem gerade noch akzeptablen Ergebnis abgelegt und mußte, als Angehöriger einer der letzten Jahrgänge vor der Abschaffung der Wehrpflicht, noch seine Treue zum Staat beweisen. Alles Geschimpfe half nichts, doch die Beziehungen Ettore Orlandos brachten ein erträgliches Leben bei der Küstenwache im ligurischen La Spezia ein, wo Marco auch das Patent für große Motorboote und Segelschiffe ablegen konnte. Seine Eltern hatten inzwischen alle Not, ihn von seinem Wunsch abzubringen, das Leben nach dem Barras als Skipper zu verschwenden.
»Von was für einem Schweizer hast du übrigens vorhin gesprochen?« fragte Proteo und blies den Staub vom Schnitt der Bücher, die er aus dem Karton genommen hatte.
»Der Mann, der oberhalb von uns wohnt. Ich bin ihm auf dem Parkplatz begegnet. Sehr nett und ziemlich groß, könnte von der Statur her ein Sohn Galvanos sein. Schriftsteller.«
»Und was macht er da oben?«
»Na, was macht wohl ein Autor?«
»Ich meine, lebt er alleine?«
»Das hab ich nicht gefragt, aber irgendwie glaube ich es schon.« Laura überlegte einen Moment, was ihr an dem Mann aufgefallen war. »Er ist zwar sehr gepflegt und gut gekleidet, aber macht dennoch den Eindruck einer alleinstehenden Person. Alleine und bedrückt. Frag mich nicht, wieso.«
»Und wie lange wohnt er schon da?«
»Keine Ahnung. Ich wollte ihn nicht ausfragen. Aber wir können ihn ja irgendwann mal auf ein Glas einladen.«
»Einen Schweizer?« Laurenti kratzte sich am Kopf. »Na ja, warum auch nicht.«
Kommando Pharao
Sein Lieblingsplatz war ein alter, gepolsterter Lehnstuhl vor einem niedrigen, runden Tischlein aus Nußwurzelholz, das aus der Einrichtung der Luxuskabine eines alten Überseedampfers stammte. Durch das Fenster nach Osten schaute er auf die Weinberge seiner Nachbarn, die dort die alten
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