Tod Auf Der Warteliste
Schrittempo durch die Umleitungsstrecken. Wer nicht im Zentrum wohnte, blieb besser zu Hause. Der Unmut mancher Geschäftsinhaber über den Verdienstausfall war groß, doch aller Protest half nichts. Die Stadtverwaltung stellte keine Entschädigung in Aussicht. Auch jetzt würden sie wieder nichts kriegen. Nur der Bürgermeister war zufrieden, endlich konnte er einem europäischen Politiker nach dem anderen die Hand drücken.
Präfektur, Regionalregierung und Rathaus umsäumten die riesige Piazza Unità, an der auch das Grandhotel lag, in dem der Deutsche mit seinem Stab logierte, während der Große Vorsitzende aus Rom, der einen Tag länger blieb, das üppige Gästeappartement in der gegenüberliegenden Präfektur bezog. Und natürlich drehte man die Beleuchtung des Platzes über Nacht herunter, sobald der Große Vorsitzende vom Abendessen kam. Die Piazza Unità, die Uferstraße und die Umgebung im Umkreis von fünfhundert Metern waren von Carabinieri- und Polizeieinheiten hermetisch abgeriegelt.
Das Herz Triests war für Tage kalt und dämmrig.
Der Airbus der deutschen Luftwaffe landete wie vorgesehen Punkt neun Uhr. Nach wenigen Minuten fuhren die Lancia-Limousinen mit dem Staatsgast und seinen Begleitern vom Flughafen und scherten in die an der Ausfahrt wartende Kolonne der Sicherheitsfahrzeuge ein. Der Funkverkehr zwischen den Begleitfahrzeugen schnarrte ununterbrochen.
»Die plappern zuviel!« fluchte Proteo Laurenti und drehte die Lautstärke herunter. »Wenn wirklich etwas passiert, ist man abgelenkt. Aber hier passiert sowieso nichts. Sie hätten ihn auch in ein Taxi setzen können.«
»Oder in den Linienbus!« Am Steuer des dunkelblauen Alfa Romeo fünf Autos hinter dem dunkelblauen Wagen des Deutschen saß Antonio Sgubin, sein Assistent. Der uniformierte Beamte der Einsatzbereitschaft auf der Rückbank, eine Maschinenpistole im Schoß, tat so, als hörte er nichts. Alle drei trugen kugelsichere Westen.
»Die Deutschen können es nicht lassen«, sagte Laurenti. »Sie kommen immer noch mit der Luftwaffe. Daß denen das nicht peinlich ist. Warum schreiben die nicht einfach Bundesrepublik Deutschland auf das Regierungsflugzeug?«
»Die sind doch pleite. Stell dir mal vor, wie teuer es ist, einen Airbus neu zu lackieren.«
Auf der Autobahnauffahrt schaltete Sgubin einen Gang hoch. Der Abstand zwischen den Fahrzeugen blieb konstant, auch als die Kolonne mit gleichbleibendem Tempo durch die Mautstelle raste, deren geöffnete Schranken dem Staatsgast zu salutieren schienen. Dann tauchten die Autos in den Nebel ein, der die Kontur der Steilküste auslöschte und sich mit jedem Kilometer verdichtete.
»Das haben wir seit Jahren nicht gehabt«, sagte Sgubin. »Eigentlich noch nie. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Wo ist nur unsere gute alte Bora geblieben?«
»Es ist diese verdammte Klimaerwärmung, glaub’s mir. Der Januar war strahlend, und jetzt diese Brühe. In einer Woche werden wir vermutlich fünfundzwanzig Grad haben und uns an Ostern dafür wieder den Arsch abfrieren.« Laurenti drehte sich gelangweilt zu dem dritten Mann auf dem Rücksitz: »Woher kommst du eigentlich?«
»Venedig.« Miraporte starrte stur vor sich hin und verzog keine Miene.
»Da seid ihr ja noch beschissener dran. Venedig oder Mestre?«
»Mestre.«
»Da bekommst du wenigstens keine nassen Füße, und die Pizza ist auch billiger.« Laurenti schaute wieder geradeaus. Mit Miraporte war offensichtlich nicht viel anzufangen. Er war vermutlich einer von denen, die ständig irgendwohin abkommandiert wurden und mit seinen kaum dreißig Jahren vor allem gelernt hatte, gegenüber anderen Beamten, die er nicht kannte, die Klappe zu halten. Erst recht, wenn sie ranghöher waren.
Sie hatten Duino passiert und nahmen die nächste Abfahrt, um auf die Küstenstraße zu kommen.
»Der Idiot hinter uns hat das Fernlicht an«, fluchte Sgubin und drehte den Innenspiegel weg.
»Zehn Minuten noch, dann sind wir sie los!« Laurenti drückte sich tief in seinen Sitz und stützte die Beine an der Ablage vor ihm auf. »Hast du eigentlich dein Segelboot noch?«
»Natürlich! Sobald es wärmer wird, zieh ich es raus. Es braucht einen neuen Anstrich. Alle paar Jahre ist das nötig. Warum?«
»Du könntest mich mal wieder einladen. Ich würde unser neues Haus gerne einmal vom Meer aus sehen und ein paar Fotos machen, wenn das Wetter wieder besser ist.«
»In Ordnung«, sagte Sgubin. »Du bringst den Wein und etwas zu essen. Ich das Boot.
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