Tod Auf Der Warteliste
Gynäkologie gehört. «
»Das stimmt doch alles gar nicht.« Galvano stellte sich zwischen Ramses und Laurenti. »Es ist nur so, daß es viel zuviel Arbeit für eine Anfängerin ist.«
»Glauben Sie ihm bloß nicht. Eher findet der Weiße Hai in den Golf von Triest, als daß hier ein Mord passiert. Aber sollen wir deswegen selbst die Leute abmurksen, nur damit Galvano sich nicht langweilt?«
Ramses suchte schon die ganze Zeit nach einer Ausrede, um sich davonzumachen. Doch er kam einfach nicht zu Wort, und dann klapperte die Gastgeberin auch noch mit den Tellern. Es gab kein Entrinnen.
»Entschuldigt bitte«, sagte Laura. »Viel kann ich nicht bieten, ich war nicht auf Besuch eingerichtet. Aber es wird schon reichen.«
»Was gibt’s denn?« fragte Laurenti.
»Fohlenfilet und Salat«, sagte Laura.
Laurenti schnaubte. »Da haben wir das Meer vor der Tür, und ich Esel muß in der letzten Zeit immer Pferd essen. Versteht ihr das? Nächste Woche kaufe ich ein paar Angeln und eine Harpune.«
»Wenn du mich fragst, dreht es sich um Organhandel«, sagte Galvano.
»Was?« fragten alle drei wie aus einem Mund.
»Na, das mit dem Toten des deutschen Kanzlers.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Ramses scharf. Galvanos Äußerung war ihm wie ein Stich in die Eingeweide gefahren. Nichts drängte ihn jetzt mehr fort.
»Ganz einfach: Weshalb soll man einen jungen, gesunden Kerl operieren, wenn ihm nichts fehlt, wie meine Nachfolgerin behauptet. Also, wenn das wirklich wahr ist, was ich zumindest so lange in Zweifel ziehe, bis ich mich selbst davon überzeugen konnte, dann bleiben wohl nicht mehr viele Gründe. Erst letzte Woche ist doch die Sache in Palmanova bekanntgeworden. Die hat ein Pfarrer erzählt, sie muß wahr sein. Es passierte auf dem Parkplatz vor dem riesigen Einkaufszentrum, gleich bei der Autobahnausfahrt. Ein jüngeres Ehepaar brachte die Einkäufe zum Wagen, die Frau hatte aber etwas vergessen und ging nochmals zurück. Als sie wiederkam, waren Mann und Auto weg. Man kann jetzt natürlich weiß der Teufel was denken, aber es gab keinen Grund und keine Anzeichen, daß sich der Gatte einfach davongemacht hatte, um ein neues Leben zu beginnen. Angeblich liebten sie sich noch, ha! Sie verständigte also die Polizei, die ihn zur Fahndung ausschrieb. Nichts. Doch drei Tage später steht frühmorgens das Auto wieder auf dem Parkplatz, der Mann wird ohnmächtig und in einem bedenklichen Zustand auf dem Beifahrersitz gefunden. Man bringt ihn ins Krankenhaus und stellt fest, daß ihm eine Niere fehlt. Als er wieder bei Sinnen ist, kann er sich an nichts erinnern.«
»Quatsch«, sagte Laurenti. »Dummes Zeug. Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
»Ich sagte es schon: ein Pfarrer.« Galvano goß sich Wein nach.
»Sie glauben auch alles«, brummte Laurenti. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, was er von der Kirche hielt. Der heilige Antonius war der einzige, zu dem er intensiven Kontakt pflegte. Meist waren es die stets unauffindbaren Autoschlüssel, für deren Wiederbeschaffung er einen kleinen Schein in den Opferstock der Kirche am Ende des Canal Grande steckte.
»Frag mal deine Kollegen in Palmanova, du Ungläubiger.«
»Wenn das wirklich so gewesen wäre, hätten wir es doch auf allen Titelseiten der Zeitungen gelesen«, sagte Laura und wandte sich an Ramses. »Der gute Doktor hatte schon immer eine blühende Phantasie.«
»Ach was! Man hält das natürlich geheim, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen«, verteidigte sich Galvano beleidigt.
Endlich war das Essen fertig, das zarte Fohlen.
»Es dauert wirklich nicht lange, eine Niere herauszuschneiden.« Galvano ließ sich nicht unterbrechen. »Es ist meistens die linke, die man entfernt. Beim Empfänger ist es dann die rechte. Und bei Gehirntoten natürlich die Harnblase dazu, weil damit die Niere besser funktioniert. Ich sag’s euch. Es ist ein Kinderspiel.«
»Und an was für einem Buch arbeiten Sie zur Zeit?« Laurenti dachte, daß es nur noch eine Möglichkeit gab, den Alten abzulenken. Er mußte ein Thema finden, das Galvano das Publikum entzog.
»An einem Roman«, sagte Ramses. »Verkürzt gesagt, die übliche Geschichte von Mann und Frau.«
Aber Galvano ließ sich nicht so einfach den Mund verbieten. »Es ist nämlich so«, sagte er, »daß diese Sache mit den Organverpflanzungen uralt ist. Es begann schon auf den Schlachtfeldern von Waterloo. Natürlich wißt ihr nicht einmal, wann das war. Stimmt’s? Also, der 18. Juni 1815 war ein
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