Tod Auf Der Warteliste
Eindringlings. Er war rasch wieder auf den Beinen und setzte den Schritten nach, die er die Treppe hinunterstürmen hörte. Im Laufen griff er nach der Sense. Unten auf der Straße hatte er ihn fast eingeholt, doch dann konnte er nur noch mit einem gewagten Sprung zur Seite vermeiden, daß er in das Auto lief, dessen Scheinwerfer er plötzlich aus der Kurve herauskommen sah. Auf der anderen Straßenseite startete ein Wagen. Sie waren offensichtlich zu zweit gewesen. Mit quietschenden Reifen fuhr das Auto davon. Ramses erkannte noch die ersten Buchstaben und Zahlen des Kennzeichens des weißen Fiat Uno und versuchte, sie sich einzuprägen. Außer Atem lehnte er sich an seinen Wagen. An eine Verfolgung war nicht zu denken, er hatte die Schlüssel oben liegenlassen. Dann kam dieser andere Mann auf ihn zu, der den Alfa Romeo neben ihm geparkt hatte und mit einem Blick erkannte, daß die Räder seines Autos zerstochen waren.
Während er die Treppen zum Haus hinaufstieg, suchte er links und rechts des Weges nach Spuren und entdeckte auf dem letzten Absatz einen Benzinkanister aus Militärbeständen, dessen Inhalt in das Blumenbeet gesickert war, das vor der Glasveranda entlanglief. Ramses ließ den Kanister liegen und sah nun, daß die Kellertür nur angelehnt war. Mit einem heftigen Tritt stieß er sie auf und knallte gegen die Gartengeräte, die hinter ihr an der Wand hingen. Ramses tastete nach dem Lichtschalter und fühlte einen fremdartigen Gegenstand. Es waren Drähte, die da nichts zu suchen hatten. Vorsichtig tastete er ihren Verlauf ab, einen Meter vielleicht, und fühlte den Verschluß eines zweiten Kanisters. Wenn er jetzt Licht machte, dann wäre das die letzte Bewegung seines Lebens gewesen. Langsam folgte er den Drähten wieder nach oben und bekam ein loses Ende zu fassen. Die Arbeit war also noch nicht beendet. Er riß den Draht aus dem Schalter, packte den Kanister mit beiden Händen und trug ihn in den Garten hinaus. Er überlegte, ob das die letzte Falle war, und entschied sich, noch immer kein Licht zu machen. Im Hausflur fand er die Taschenlampe. Langsam ging er die Außenmauern entlang und leuchtete auch hinter die Büsche. Er sah ein langes zweiadriges Kabel, das vor der Außensteckdose der Terrasse auf dem Boden lag, und fand in einem Abstellraum hinter dem Haus noch zwei Kanister.
Er wunderte sich, daß er all dies nicht gehört hatte. Zwanzigliter-Kanister schleppte man nicht einfach auf leisen Sohlen durch ein solches Gelände. Sonst vernahm er doch so gut wie jedes Geräusch. Aber vielleicht war es das Stabat Mater von Scarlatti gewesen, das er laut gestellt hatte, und dessen letzter Satz gerade ausklang, als er das Geräusch des Gartentors zu hören glaubte.
Er schaute in die Nacht hinaus und überlegte. Unten auf der Straße sah er ein Blaulicht aufblitzen, dann ertönte der Klang einer Polizeisirene, die sofort wieder abgestellt wurde. Er mußte hinunter. Er hatte keine Wahl, wenn er nicht noch mehr Verdacht erregen wollte. Heute nacht kämen die Typen sicher nicht zurück.
Ramses ging ins Haus und zog sein Jackett an und den Trenchcoat, steckte Autoschlüssel und Papiere ein, ging noch einmal in den Keller und nahm eine schwere Kette samt Vorhängeschloß mit. Im Licht der Außenbeleuchtung legte er sie um das Gartentor und ging zum Parkplatz hinüber. Er sah den neuen Nachbarn mit zwei Uniformierten sprechen, deren Streifenwagen seinen Peugeot anleuchtete. Er hörte, wie sie den Mann Commissario nannten. Die interessante Dame, die er vor einigen Tagen auf dem Parkplatz kennengelernt hatte, war also mit einem Polizisten verheiratet. Auch das noch.
»Wir haben einen Gast heute abend, Signor Frei«, sagte Laurenti, als der Streifenwagen wegfuhr und Ramses sich für die Hilfe bedankte. »Kommen Sie doch mit auf ein Glas, dann können wir auch überlegen, was mit Ihrem Auto geschieht. So nützt es Ihnen nichts, und morgen ist Sonntag.«
Ramses murmelte etwas von Arbeit, doch Proteo faßte ihn am Ellbogen und zog ihn mit sich. »Kommen Sie schon.«
So mußten sie wenigstens nicht den Abend alleine mit dem Gerichtsmediziner verbringen, dachte Laurenti, und er könnte dem Mann vielleicht doch noch entlocken, weshalb man alle vier Reifen seines Autos zerstochen hatte. Außerdem wäre Laura für Abwechslung sicher dankbar. Und Ramses dachte, daß es vielleicht gut wäre, die Höhle des Löwen zu kennen. Auf eine halbe Stunde kam es nicht an, die Gefahr war fürs erste gebannt. Er war
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