Tod Auf Der Warteliste
zwang sich zu einem scheinheiligen Benehmen. Daß Romani auch mit der Klinik zu tun hatte, überraschte ihn. Offenbar hatte er seine schmutzigen Finger überall drin.
»Sie sind wohl überall«, sagte er lächelnd. Die ausgestreckte Hand schlug er aus. »Wie geht’s?«
»Danke.« Auch Romani versuchte freundlich zu sein. »Mußten Sie einen solchen Lärm machen, als Sie auf den Hof fuhren?«
»Das war keine Absicht. Bei diesem Wagen liegen die Knöpfe so eng beieinander. Und heute war leider nur diese Kiste frei. Habe ich Ihnen schon meinen Hund vorgestellt? Cluzot alias Almirante.« Das Tier war, als sie hereinkamen, sofort zu Romani gelaufen und hatte zweimal gebellt. Laurenti achtete nicht weiter darauf, doch der Anwalt erschrak heftig. Dann setzte Cluzot sich mitten vor die Tür, als wollte er niemanden aus dem Raum lassen.
»Machen Sie keine Witze, Laurenti. Es ist durchaus ernst.« Romani kniff die Augen zusammen, als schaute er über Kimme und Korn.
»Es wäre sehr rücksichtsvoll, Commissario, wenn Sie dieses Aufsehen in Zukunft vermeiden würden«, sagte die Morena. Ihr Lächeln war so falsch wie alles in ihrem Gesicht. »Sie wissen doch, daß unsere Klientel Wert auf Diskretion legt. Aber bitte setzen Sie sich.«
»Wie laufen denn die Geschäfte? Schaffen Sie es ohne Ihren Chefarzt?« fragte Laurenti.
»Der Chefarzt bin ich«, sagte Severino. »Aber Kollege Lestizza ist schwer zu ersetzen.«
Die Morena fuhr ihrem Mann ins Wort. »Unsere Patienten haben Anspruch auf die beste Behandlung, die sie erwarten können. Und sie brauchen Ruhe.«
»Sie bezahlen auch genug«, sagte Sgubin trocken.
»Ein schrecklicher Überfall.« Adalgisa Morena tat, als hätte sie ihn nicht gehört. »Und eine Zeit der Trauer. Leo war mein Cousin.«
»Es tut mir leid«, sagte Laurenti stereotyp, wie jedesmal, wenn er in einem Mordfall mit den Angehörigen sprach. »Ich weiß, wie schwer das für Sie ist. Aber wir müssen nun mal einige Fragen stellen. Ein solcher Anschlag ist ungewöhnlich. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein Racheakt mit sexuellem Hintergrund. Haben Sie einen Verdacht, wer Ihren Cousin entmannt hat?«
»Nein«, sagte Adalgisa Morena. »Leo war sehr verschlossen. Sein Leben war sein Beruf. Er hat all sein Talent in die Klinik gesteckt. Von seinem Privatleben habe ich keine Ahnung. Er redete nicht viel. Auch wenn wir verwandt sind, war er doch sehr anders.«
Natürlich blieb die Befragung ergebnislos. Als Laurenti jedoch darum bat, die Gehaltsabrechnungen Lestizzas zu bekommen und Einblick in die Gesellschafterverhältnisse der Klinik zu nehmen, protestierte Anwalt Romani heftig.
»Was hat das mit dem Mordfall zu tun?« fragte er. »Die Interna des Unternehmens gehen Sie nichts an.«
»Ach, lieber Romani, Sie sind doch kein Anfänger. Wenn Sie mir die Unterlagen nicht geben wollen, dann bekomme ich sie vom Finanzamt. Die Bankauszüge sind auch schon angefordert. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht zusammenarbeiten sollten. Immerhin war Professor Lestizza ein Cousin der Signora. Nicht wahr?«
Als keiner den Mund aufmachte, stand Laurenti auf. »Signori«, sagte er. »Dann sehen wir uns also künftig in der Stadt, wenn Ihnen das lieber ist. Sie kennen ja das Spiel mit den Vorladungen, Avvocato. Umständlich und lästig, aber es funktioniert. Vielen Dank und guten Abend.«
»Was sind das nur für Leute«, sagte Sgubin im Auto. »Für die zählt offensichtlich nur das Geld. Eiskalt und undurchsichtig.«
»Reg dich nicht auf. Wie heißt es so schön: Hochmut kommt vor dem Fall. Es ist diese neue Arroganz, die sich die oberste Kaste anmaßt, seit aus Rom ein anderer Wind weht. Aber ich schwöre dir, sie überschätzen sich, wenn sie glauben, daß das für immer so bleibt. Du wirst sehen, irgendwann werden die alle wieder freundlich und zuvorkommend sein.«
»Falsch bleiben sie trotzdem.«
Laurenti bat Sgubin darum, ihn nach Prepotto zu bringen, wo Laura mit Ramses in der Osmizza von Zidarich auf ihn wartete. Sgubin wollte nicht mitkommen. Ein Streifenwagen vor einer Besenwirtschaft war schlechter Stil, und seit die Promillegrenze auf 0,5 abgesenkt worden war, reichte schon der Blick auf ein Glas Wein, um sie zu überschreiten.
»›Der Karst ist ein furchtbarer, versteinerter Schrei. Wenn jedoch ein Wort aus dir wachsen soll, küsse den wilden Thymian, der aus den Felsen das Leben zieht.‹ Weißt du, von wem das ist?« fragte Laurenti, als er Ramses begrüßte. »Ich habe einen
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