Tod Auf Der Warteliste
Schloß zog.
Dimitrescu hörte, wie der Schlüssel von außen gedreht wurde. Warum sperrte man ihn ein, er war doch freiwillig hier? Er setzte sich aufs Bett und ließ langsam seinen Blick durch den Raum schweifen. An einer der Wände stand ein Regal mit Werkzeug, an einer anderen lehnten Gartengeräte, Schaufeln, Rechen, Hacken. Dimitrescu ließ sich auf das Feldbett fallen und schloß die Augen, doch wenig später wurde er durch das Geräusch des Schlüssels geweckt. Die Alte trug ein Tablett, auf dem ein Teller und ein Glas, ein Topf mit lauwarmer Bohnensuppe, ein halber Laib Brot und eine Flasche Mineralwasser standen.
»Iß«, sagte sie, als sie das Tablett abstellte. Dann verschwand sie, und Dimitrescu hörte wieder den Schlüssel im Schloß. Für diese Nacht war ihm das egal. Morgen würde er darum bitten, daß die Tür offenblieb. Bevor er einschlief dachte er an Vasile und wie sie, die Zwillinge, beim Militär die Vorgesetzten austricksten, wenn einer von ihnen Wache schieben sollte, aber Wichtigeres zu tun hatte.
Als er aufwachte, brauchte er eine Weile, um sich zu orientieren. Er sah das vergitterte Fenster neben der Tür, durch das gleißendes Sonnenlicht fiel, und davor den Tisch, auf dem noch die Reste seines Abendessens standen. Er ging zum Fenster und schaute hinaus. Das Gelände fiel steil ab. Auf den Terrassen waren Gemüsebeete angelegt. Drei Mandelbäume standen in voller Blüte und ihr Rosa kontrastierte mit dem Blau des Meeres, das dahinter zu sehen war, wie auf einer Kitschpostkarte. Er wußte nicht, wie spät es war. Dimitrescu ärgerte sich, daß er keine Uhr hatte. Das Rumpeln hinter der Mauer, über dessen Ursprung er schon gestern abend gerätselt hatte, war wieder zu hören.
*
»Die Beerdigung ist am Samstag um elf auf Sant’Anna«, sagte Adalgisa Morena, die sichtlich nervös war. »Hier sind die Todesanzeigen. Ich schlage vor, daß wir sie erst nach der Beerdigung veröffentlichen. Ich will keinen Auflauf.«
»Laß den Termin raus. Dank der Zeitungsmeldungen weiß inzwischen jeder, daß Leo tot ist.« Die Müdigkeit war Ottaviano Severino ins Gesicht geschrieben, erst vor einer halben Stunde kam er aus dem letzten Operationstermin des Tages.
»Nachher kommt Romani«, sagte Adalgisa. »Laßt uns jetzt die medizinischen Dinge besprechen.«
»Es lief alles nach Plan.« Severino blieb einsilbig. »Nichts Außergewöhnliches, außer der Tatsache, daß ich am Limit bin. Wir dürfen das nächste Mal nicht mehr so viel auf einen Tag legen. Irgendwann läßt die Konzentration nach, das schlägt im Zweifel auf die Qualität.«
Adalgisa war genervt. Sie konnte jammernde Männer nicht ertragen, und vermutlich hätte sie Ottaviano Severino längst verlassen, wenn die Klinik nicht gewesen wäre. Doch dieses Projekt, das Unmengen an Geld brachte, würde sie freiwillig nie aufgeben.
»Ottaviano hat recht«, sagte Benteli zu ihrem Erstaunen. »Es war eine Tortur, aber jetzt sind wir aus dem Gröbsten raus. Es könnte auch nicht schaden, wenn die neuen Assistenten bald einträfen. Wir waren wirklich am Umkippen.«
»Es war eine Ausnahme«, fuhr Adalgisa ungerührt fort. Es fehlte nur noch, daß sie eine Peitsche in der Hand hielt, wie eine richtige Domina. »Und ich kündige gleich die nächste an. Der Schweizer Patient trifft am Freitag ein, ebenso der Freund von Petrovac.« Sie warf einen Blick in die Unterlagen auf dem Tisch. »Er heißt Drakič, Viktor Drakič. Der Spender aus Rumänien ist gestern nacht eingetroffen und kerngesund. Romani hat ihn in der Stadt untergebracht. Wann könnt ihr operieren?«
Ottaviano machte ein gequältes Gesicht. »Das wird wirklich hart. Ein Marathon. Wir brauchen zwei komplette Teams.« Er schaute Benteli an, der aufgestanden war. »Eines leitet Urs, das andere ich. Aber die Neuen müssen genug Erfahrung haben und vor allem erst einmal dasein, damit wir uns mit ihnen vertraut machen können.«
»Verlaß dich darauf, daß wir am Freitag komplett sind. Die meisten kennt ihr vom letzten Mal. Sie sind erfahren und zuverlässig.« Adaglisa Morena nannte einige Namen, und beide Ärzte nickten.
»Die Entnahme mache ich mit meinem Team. Urs kann sich dann gleich um diesen Drakič kümmern. Das ist eine kleine Geschichte, Nieren. Die andere Niere samt Harnblase bekommt der Schweizer. Hat er bezahlt?«
»Die erste Hälfte. Gerade heute kam die Nachricht von unserer Schweizer Bank. Er hat die Verdopplung akzeptiert, ohne zu mucksen.«
»Viel
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