Tod Auf Der Warteliste
korrupt und hätte außerdem Steuern hinterzogen. Fehlt nur noch, daß sie mich der Sodomie bezichtigen.« Laurenti unterstrich seine Äußerung mit der geballten Faust. »Aber den Hund nehme ich weiter mit ins Büro. Das will ich sehen, wie sie mich deshalb rauswerfen.«
»Laß ihn doch einfach bei deiner Frau, bis die Sache vorbei ist.«
»Sie mag ihn nicht, und morgen muß sie nach Venedig, wegen ihres mysteriösen Caravaggio.«
»Dann laß ihn eben zu Hause. Was beunruhigt dich? Was zum Teufel ist los?«
»Rufmord. Du weißt, wie schnell solche Dinge die Runde machen. Man wird das nie wieder los. Die halbe Stadt weiß davon. Sag bloß nicht, ich muß dir alles von Anfang an erzählen.«
»Diese Vorwürfe nimmt doch niemand ernst. Man redet eher von etwas anderem, Proteo.« Orlando legte seine Bärenhände mit den dichten schwarzen Haaren auf den Tisch und griff nach einem Stift, der zwischen seinen Fingern zur Größe eines Zahnstochers schrumpfte. »Was ist mit der Kroatin?«
»Mit welcher Kroatin?«
»Tu nicht so! Hast du ein Verhältnis mit ihr oder nicht? Das zumindest geht als Gerücht herum.«
»Das ist ein rein kollegiales Verhältnis, Ettore.«
»Es ist ja nichts Strafbares.« Orlando ließ den Stift auf die Schreibtischplatte fallen und lehnte sich zurück. »Nur, wenn deine Frau das erfährt, dann wollte ich nicht in deiner Haut stecken.«
»Da ist nichts. Wer tratscht das herum?«
»Nach dem dritten Schwätzer verliert jedes Gerücht seinen Ursprung. Ich tippe darauf, daß es aus deinem Büro kommt. Hast du Marietta vielleicht gekränkt?«
»Quatsch. Es stimmt, daß ich mich öfters mit Živa treffe. Wir arbeiten gut zusammen. Es hilft der Sache, wenn man sich vertraut.«
»Red kein Blech, Proteo. Du quasselst dich um Kopf und Kragen. Ich will es gar nicht so genau wissen. Aber wenn du willst, kann ich dir eine Brücke bauen. Wenn du mir hilfst, helf ich dir.«
Orlando erzählte von der »Tvilliger«, einem norwegischen Frachter, den sie im Sommer beschlagnahmt hatten. Man konnte ihn von seinem Bürofenster aus sehen. Er lag am Molo IV vertäut und bestimmte mit seinem orangefarbenen Schiffsrumpf neben der blauen »Sea Serenade«, die ebenfalls seit einigen Monaten von den Behörden festgehalten wurde, das Bild in diesem Teil des Hafens. Doch es gab einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen Schiffen. Die Besatzung des Zyprioten hatte das Schiff nicht verlassen, weil der säumige Reeder vielfältigen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkam und die Seeleute es als Pfand in der Hand behielten für die ausstehende Heuer. Sie erhielten Lebensmittelspenden von wohltätigen Organisationen. Die Mannschaft der »Tvilliger« hingegen, pakistanische Integralisten, war im Schnellverfahren ausgewiesen worden, was sich im Nachhinein als schwerer Fehler herausstellte. Dieses Schiff gehörte nach Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste zur Flotte der Al-Qaida. Ihr Schwesterschiff »Sara« lag in Sizilien fest. Der Verdacht hatte sich deshalb erhärtet, weil der Eigner, die »New Spirit Incorporation« mit Sitz im rumänischen Constañta und in Delaware/USA, nie die Freigabe verlangt hatte.
»Die Kroaten«, erklärte Orlando, »haben in Fiume ein Schiff hochgenommen, das uns besonders interessiert. Es heißt ›Boka Star‹ und kommt aus Montenegro. Hat dir deine Freundin nie davon erzählt?« Das Wort Freundin sprach er mit einem Unterton aus, der Laurenti nicht gefiel.
»Sie ist aus Pola. Fiume gehört nicht zu ihrem Bezirk. Was ist mit dem Schiff?«
»Man fand 208 Tonnen Explosivmaterial und Treibstoff für Scud-Raketen darauf. Und in einem geheimen Safe versteckte Dokumente, die angeblich belegen, daß der Frachter seit vier Jahren solches Zeug transportiert. Und wer hat Scud-Raketen?«
»Die Iraker?«
»Eben.«
»Und was hat Živa damit zu tun?«
»Nun, wie du gesagt hast, funktioniert die Zusammenarbeit besser, wenn man persönliche Verbindungen hat, die über die bürokratischen Hürden hinweghelfen. Ich bin absolut davon überzeugt, daß wir viel mehr Erkenntnisse gewinnen könnten, wenn wir unsere Daten zusammenführen würden. Vor allem inoffiziell. Ich will wissen, welche Schiffe in Pola und Fiume ankommen und von wo. Du weißt, daß die beim Auslaufen genannten Zielorte auf See oft genug verändert werden. Die italienischen Häfen tauschen sich natürlich aus. Mit den Slowenen funktioniert es bestens. Und sogar mit den Maltesern, den Zyprioten und den Griechen gibt es ein
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