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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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beste Geheimhaltung noch immer die ist, nicht einmal euch etwas davon zu erzählen? Es ist ja nicht unbedingt so, daß die Polizei die verschwiegenste Institution ist, die wir haben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ganz einfach: Damals, als die Klinik eröffnet wurde, hatte man mich eingeladen und mir das ganze Gelände gezeigt. Man kommt da rein und raus, ohne gesehen zu werden. Sie haben eine Limousine mit schwarz getönten Scheiben, die wartet in Ronchi direkt vor dem Flugzeug auf dich. Niemand weiß, daß du dort oben bist, wenn du es nicht willst. Ich habe damals einen langen Artikel geschrieben, in dem ich mich über diese Maßnahmen lustig machte. Erst später merkte ich, was das für eine gigantische Werbung für die war.«
    »Solche Typen wie Michael Jackson machen kein Geheimnis aus ihren Reisen. Denen geht es doch nicht gut, wenn sie nicht von Fans belagert werden. Operation hin oder her. Jeder weiß, daß seine Nase Scheiße ist. Viele haben Mitleid.«
    »Wie auch immer, wir gehen der Sache nach.«
    »Ich glaube nicht, daß da was dran ist. Dumme Gerüchte. Aber mach, was du willst, nur sag auf keinen Fall, von wem du die Information bekommen hast.«
     
    *
     
     
    »Ich schaue ihn mir gleich einmal an«, sagte Professor Severino, als er mit seiner Frau beim Tee saß. »Mir gefällt das nicht, daß er heute schon hier ist.« Er sah müde und abgespannt aus. Die Strapazen des Operationstags hatten merkliche Spuren hinterlassen.
    »Warum?« Adalgisa betrachtete ihn mitleidig. Er kam ihr plötzlich vor wie ein alter fremder Mann.
    »Wer paßt denn auf ihn auf? Für die Tests brauchen wir ihn noch nicht. Die sind schnell gemacht, und wenn sich wider Erwarten herausstellt, daß er sich nicht eignet, dann bekommen wir auf die Schnelle ohnehin keinen Ersatz und müssen sowohl den Schweizer als auch diesen Drakič wieder nach Hause schicken.«
    »Es wird sich nichts Unerwartetes herausstellen, Ottaviano. Oder kannst du mir einen Fall nennen, in dem ich mich bisher geirrt habe?«
    »Trotzdem! Warum konnte er nicht bei Romani bleiben? Jetzt müssen wir nur unnötig auf ihn aufpassen.«
    »Wenn die Idioten von Hausmeistern in Romanis Haus ihn anders behandelt hätten, gäbe es überhaupt kein Problem. Aber noch können wir die Angelegenheit wieder einrenken. Du mußt dir Zeit für ihn nehmen, freundlich mit ihm reden und erklären, daß die Entnahme einer Niere keine Gefahr für ihn darstellt. Mach ihm klar, daß das kaum schlimmer ist als die Operation eines Weisheitszahns. Erfinde ein paar nette Geschichten, zum Beispiel, daß Berlusconis Tochter sich hier operieren ließ, oder irgendeinen anderen Blödsinn. Er muß Vertrauen bekommen. Wir sperren ihn nicht ein. Er bekommt ein anderes Zimmer, hell und groß. Geh mit ihm über das Klinikgelände, zeig ihm die Pferde oder setz ihn ins Auto und fahr mit ihm in die Stadt. Er hat noch nie sein Land verlassen. Nimm dir zwei Stunden für ihn, dann beruhigt er sich. Behandle ihn wie einen Freund.«
    Früher war Severino dynamisch und anziehend gewesen, quoll über vor Charme und hatte ständig gute Gründe zur Eifersucht geliefert. Aber nun, kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag, baute er ab. Und das ausgerechnet in dem Moment, da die Klinik sich vor Erfolg kaum retten konnte. Nur selten mutete er sich noch harte Arbeitstage zu oder begleitete seine Frau zu irgendwelchen Empfängen oder Partys in die Stadt. Und Sex schien ihm ein Fremdwort geworden zu sein, obwohl seine Arbeit doch mit nichts anderem zu tun hatte, als die Klientel genau dafür frischer wirken zu lassen, als sie eigentlich war. In einem Interview mit einem Privatsender anläßlich der Eröffnung von »La Salvia« hatte er sich einst als »Diener der Venus« bezeichnet und seinen Wechsel von der inneren Medizin zum »Plastiker« damit begründet, daß äußere Unvollkommenheit sich schnell zum Krankheitsfaktor wandeln könne. Er helfe den Menschen, indem er ihre angeborenen Schwächen korrigiere und die Seele vom Leiden am Leib befreie. Inzwischen hatte er sich geändert. Oft war er zerstreut und unkonzentriert. Ihm genügten seine Pferde, wie er sagte, und nur widerwillig ließ er sich mit seiner Frau zu den Opernpremieren im Teatro Verdi sehen. Anfangs protestierte er nicht einmal gegen ihr Verhältnis mit Urs Benteli, dem soviel jüngeren Schweizer Arzt, den Adalgisa vor einem Jahr angeschleppt hatte. Seine Frau wußte, daß er nicht auf ihre körperliche Beziehung zu seinem Kollegen eifersüchtig war,

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