Tod Auf Der Warteliste
Hypothekarkredit, den man heute aber für die Hälfte bekommen könnte. Mitten in der Arbeit wurde er durch das Telefon unterbrochen.
»Was hast du mir da aufs Band geredet?« Es war Marietta. »Welche Gerüchte?«
»Mir ist heute zugetragen worden, daß aus meinem engsten Umfeld über mich getratscht wird. Angeblich soll ich ein Verhältnis mit Živa Ravno haben. Und wer ist mein engstes Umfeld?«
»Ich war es nicht! Spinnst du? Und ich habe auch bisher nichts von einem Gerücht gehört. Wer hat dir das erzählt?«
»Ein Freund. Stell dir vor, ich habe auch Freunde.«
»Ich habe kein Wort erzählt.« Mariettas Stimme klang belegt. »Wie kannst du so etwas überhaupt von mir denken? Ich habe immer zu dir gehalten.«
»Dann war es Sgubin. Ich werde ihn mir vorknöpfen, sobald er ins Büro kommt.«
»Du bist dabei, einen großen Fehler zu begehen. Sgubin war es sowenig wie ich. Und ich sage dir noch einmal, daß ich bisher nichts von diesem Gerücht gehört habe.«
»Wie man weiß, gehörst du zu den stets gutunterrichteten Kreisen, nicht wahr?«
»Ja!«
»Dann ruf gefälligst deine Kolleginnen an und erkundige dich.«
»Jetzt spinnst du komplett! Das ist der beste Weg, ein Gerücht wirklich in Umlauf zu bringen. Ich bin deine Vorwürfe leid und deine Anspielungen auch. Ich bin doch nicht dein Mülleimer.«
Laurenti konnte sich nicht erinnern, daß sie jemals einen solchen Krach gehabt hatten. Gewiß gab es Tageslaunen, aber selbst in diesen ergänzten sie sich beinahe ideal. Seit über zwanzig Jahren. Laura hatte ihm doch erst vor ein paar Tagen vorgeworfen, daß er mit Marietta wahrscheinlich mehr Zeit in seinem Leben verbracht habe als mit jedem anderen Menschen. Hatte sie nicht sogar damit gedroht, sie von der Party am Sonntag auszuladen? Warum waren alle Frauen um ihn herum plötzlich so zickig? Er hatte sie doch wirklich alle gut behandelt.
»Bist du noch dran?« fragte Marietta.
»Selbstverständlich. Bist du endlich fertig mit deinem Selbstmitleid? Ich will dich und Sgubin morgen früh um zehn Uhr bei mir sehen. Frisch und adrett und sehr ausgeschlafen. Kapiert?«
»Ich habe einen Migräneanfall. Ich weiß nicht, ob ich morgen komme.«
»Du hast noch nie Migräne gehabt. Erzähl mir keinen Unsinn.«
Er hörte nur noch das Tuten. Marietta hatte aufgelegt.
*
»Laurenti, Laurenti! Habe ich es nicht gesagt?« Als er noch böse auf das Telefon starrte, vernahm er die krächzende Stimme des alten Galvano.
»Was haben Sie gesagt?« Laurenti gab seinem Stuhl einen Stoß und drehte sich um.
»Natürlich könnt ihr nicht ohne mich leben. Ich habe recht gehabt.« Der Arzt ließ sich auf einen Stuhl fallen und streckte die Beine von sich, ein hämisches Grinsen auf seinem Gesicht. »Der Tote des deutschen Kanzlers und der kastrierte Tittenklempner hängen zusammen. Für mich ist das eindeutig. Du mußt jetzt nur noch die Beweise finden.«
»Was erzählen Sie da?«
Nun kam auch Sgubin herein. Laurenti schaute ihn wütend an, und als Sgubin seinen Stuhl in die Nähe des Heizkörpers zog und den Hund streicheln wollte, reichte es ihm. »Laß den Hund in Frieden. Setz dich an den Tisch.«
»Mein Gott, diese gute Laune ist wirklich ansteckend. Ich hab das Gefühl, seine Geliebte hat ihn verlassen«, feixte Galvano und zeigte auf Laurenti. »Also laß mich endlich reden! Sgubin hat mir gesagt, daß der Tote auf der Küstenstraße ein Rumäne ist. Stimmt das?«
Laurenti nickte.
»Und er hatte einen Krankenhauskittel an. Richtig?«
»Ja.«
»Und die blauen Gummischuhe waren Krankenhausschlappen?«
»Machen Sie’s kurz.«
»Lestizza war Chirurg. Du mußt nur noch zwei und zwei zusammenzählen und weißt, was Sache ist. Aber das kannst du natürlich nicht. Also, normalerweise wird das in Istanbul gemacht. Aber auch in Turin sind ein paar Fälle hochgegangen. Im Poliklinikum, um genau zu sein. Der Unterschied zwischen Turin und Istanbul ist die Differenz zwischen fünfundvierzigtausend Euro und zweitausend Dollar. Das kannst selbst du ausrechnen.«
»Kommen Sie endlich zur Sache, Galvano.«
»Nieren. Organtransplantation vom Lebendspender. Die ist bis auf streng geregelte Ausnahmen verboten. Deshalb passiert das in illegalen Krankenhäusern in der Dritten Welt. Es gibt Dörfer in Indien, da hat jeder zweite junge Mann eine fünfundzwanzig Zentimeter lange Narbe auf der linken Seite, und wenn einer ein Fahrrad besitzt, ist sowieso alles klar. Aber die beiden aktuellen Zentren sind Istanbul
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