Tod auf Ormond Hall
fünf Jahren sitzt der Schmerz über ihren Tod noch ziemlich tief in mir." Er fuhr sich nervös durch die Haare. "Dazu kommt der Wirbel, der um ihren Tod gemacht wurde. Es gab Verhöre, g erichtliche Untersuchungen ... Unser Leben wurde bis ins Kleinste ausgeleuchtet. " Er hob ruckartig den Kopf. "Es war eine grauenvolle Zeit, Michelle."
"Ich hätte dich besser nicht daran erinnern sollen", meinte die junge Frau besänftigt und schmiegte sich an ihn.
Er legte den Arm um sie. Langsam gingen sie weiter. "Glaube mir, Darling, eines Tages hätte ich dir sowieso von Danielle erzählt", versicherte er. "Meine Eltern sind ohnehin der Meinung, dass du ein Recht darauf hast, alles zu erfahren. Es fiel ihnen nicht leicht, zu schweigen."
Die junge Frau holte tief Luft. "Hat Edward sie wirklich ..."
"Edward?" Er seufzte auf. "Ich weiß es nicht, Michelle. Edward kann furchtbare Wutanfälle bekommen und ich glaube, dass er auf mich eifersüchtig ist. Wer könnte es ihm verdenken? Er hatte sehr viel für Danielle übrig. Er zeigte es, indem er ihr Blumen brachte und ständig ihre Nähe suchte. Manchmal legt er sogar jetzt noch Blumen am Fuß des Turmes nieder. Woher soll man wissen, was in seinem Kopf vor sich geht? Jedenfalls hatte Danielle Angst vor ihm. Sie hatte zwar nie mit meinen Eltern darüber gesprochen, aber ich wusste es. Ich bat Edward, ihr nicht ständig nachzustellen."
"Gab es denn Beweise gegen ihn?"
"Wir alle wussten, wie gerne Danielle oben auf dem Turm sitzt. An dem Tag, als es passierte, hatte ich den ganzen Vormittag in meinem Arbeitszimmer verbracht. Ich wollte Danielle auf dem Turm überraschen. Vom Haus aus kann man den Eingang des Turmes nicht einsehen, wie du weißt. Als ich durch die Ruinen ging, kam Edward auf mich zu. Er wirkte anders als sonst, ich würde sagen verstört. Ich sprach ihn an, aber er reagierte nicht. Ich stieg zum Söller hinauf. Danielles Buch lag neben der Brüstung am Boden. Als ich mich voller Ahnungen über die Brüstung beugte, sah ich sie auf den Steinen liegen."
"Wie schrecklich." Michelle schloss die Augen. Sie glaubte Danielle fallen zu sehen. Ihr Schrei zerriss die Luft. "Sie muss doch geschrieen haben", b emerkte sie.
"Niemand hat etwas gehört", erwiderte Kevin. "Wir wissen nicht, ob Edward schuldig geworden ist. Mit viel Mühe gelang es uns, Danielles Tod als Unfall hinzustellen, was er vielleicht auch gewesen ist. Jedenfalls hielten wir es für besser, Edwards Freiheit zu beschneiden. Seit dieser Zeit, wohnt er für sich und hat einen Pfl eger."
"Hat Danielles Familie nicht auf weiteren Untersuchungen b estanden?“, fragte Michelle.
"Davon abgesehen, dass sich die polizeilichen Untersuchungen endlos hinzogen, besaß Danielle keine Familie", erwiderte ihr Verlobter. Er führte sie zu einer weißlackierten Bank, die in der Nähe eines kleinen Teiches stand. "Setzen wir uns", schlug er vor und putzte die Bank mit seinem T aschentuch ab.
"Ist es dazu nicht schon zu kalt?" Michelle fröstelte trotz ihres Mantels.
"Nur ein paar Minuten", bat er.
Die junge Frau setzte sich. Kevin nahm neben ihr Platz und legte wieder den Arm um ihre Schultern. Fest zog er sie an sich. "Danielles Eltern starben, als sie noch ein kleines Kind war", b erichtete er. Verwandte aus Amerika nahmen sie bei sich auf. Sie sprach nicht gerne von ihnen. Scheinbar hatte sie es bei ihnen nicht besonders gut gehabt. Jedenfalls gelang es Danielle, in England zu studieren. Sie wollte Historikerin werden." Der junge Mann atmete tief durch. "Wir lernten uns im Cardiff Castle kennen", fuhr er fort. "Danielle suchte Material über die walisische Frühgeschichte. Wir verliebten uns Hals über Kopf ineinander."
Auch ich habe mich auf den ersten Blick in ihn verliebt, dachte Michelle. Sie blickte auf den Teich hinaus. Für einen kurzen A ugenblick wünschte sie sich, wieder mit Kevin in Athen zu sein. Dort war ihr das Leben viel einfacher erschienen. Hier auf Ormond Hall schien ihr Verlobter ein anderer zu sein. Auch wenn sie sich dafür hasste, fragte sie sich, ob es noch mehr gab, was ihr Kevin verschwiegen hatte. Unbewusst berührte sie den Verlobungsring. Sie erinnerte sich wieder der eisigen, schmerzhaften Kälte, als Kevin ihn ihr übergestreift hatte.
"Wie hat die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften auf Danielles Tod reagiert?“, hörte sie sich fragen und wusste nicht einmal, weshalb sie diese Fr age stellte.
"Natürlich wirbelte Danielles Tod eine Menge Staub auf, aber nach ein paar
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