Tod auf Ormond Hall
Wochen legte sich die Aufregung", erwiderte Kevin. "Allerdings gab es ein, zwei Leute, die permanent neue polizeil iche Untersuchungen verlangten." Er schnaufte verächtlich durch die Nase. "Besonders ein Londoner Verleger, der in dieser Gegend ein Landhaus besitzt, tat sich damit hervor." Seine Hände verkrampften sich. "Er besaß sogar die Unverfrorenheit, in einer der Zeitungen, die er herausgibt, von einem Komplott gegen die Gerechtigkeit zu sprechen."
Michelle nahm an, dass ihr Verlobter Roger Nevins meinte, aber sie stellte keine diesbezüglichen Fragen, um ihn nicht mis strauisch zu machen. Kevin sollte schließlich nicht erfahren, dass sie Mister Nevins kannte. Sie schaute zum Himmel. "Sieht aus, als würde es bald regnen. Lass uns lieber nach Hause gehen", schlug sie vor.
Kevin folgte ihrem Blick. "Ja, es wird wohl besser sein." Er stand auf und bot ihr die Hand. "Ich bin froh, dass du jetzt alles weißt, Darling", meinte er und küsste sie auf die Wange. "Es ist nicht gut, vor einem Menschen, den man über alles liebt, Gehei mnisse zu haben."
Nein, das ist es wirklich nicht, dachte Michelle schuldbewusst, weil sie ihm nichts von ihrer Begegnung mit Roger Nevins erzä hlen konnte. Bedrückt kehrte sie mit ihrem Verlobten zum Haus zurück. Sie spürte, dass dieser Tag etwas zwischen ihnen geändert hatte, doch sie hatte Angst, darüber nachzudenken.
11.
Während der nächsten Tage regnete es ununterbrochen, so dass Michelle sich die meiste Zeit im Haus aufhalten musste. Es gab eine Menge zu tun. Die Vorbereitungen zur Hochzeit mussten getroffen werden. Sie half ihrer zukünftigen Schwiegermutter beim Schreiben der Einladungskarten, verbrachte Stunden mit der Schneiderin und suchte Tapeten und Stoffe für die Zimmer aus, die sie und Kevin nach der Trauung bewohnen sollten. Zweimal versuchte sie, mit Lady Patricia über Danielle zu sprechen, aber Kevins Mutter bat sie jedes Mal, nicht wieder alte Geschichten aufzuwühlen.
"Schade, dass Sie keine Verwandten haben, die wir zur Hoc hzeit einladen könnten, Michelle", meinte Lady Patricia, als sie noch einmal kontrollierte, ob sie wirklich niemanden auf ihrer Einladungsliste vergessen hatte. "Sind Sie sich ganz sicher, dass es nicht doch noch irgendwo einen Onkel oder eine Tante gibt, die wir bitten könnten, nach Ormond Hall zu kommen?"
"Ganz sicher, Lady Patricia", erwiderte Michelle bedauernd. Sie hätte gerne jemanden aus ihrer Familie am schönsten Tag ihres Lebens bei sich gehabt. Aber nicht einmal ihre Freundin Nancy konnte kommen. Sie lag mit einer schweren Hepatitis auf der Is olierstation eines englischen Krankenhauses in Athen.
"Wenn Ihre Freundin wieder gesund ist, wird sie uns jederzeit auf Ormond Hall willkommen sein", meinte Lady Patricia. Sie schaute von ihrem Schreibtisch auf. "Während der letzten Tage sind Sie richtig blass geworden. Warum machen Sie nicht einen Spaziergang? Es ist draußen zwar noch nass, aber es regnet nicht mehr. Ein junger Mensch sollte nicht ständig im Haus sein."
"Möchten Sie mich nicht begleiten?" Michelle schob eine Einladungskarte in ein teures Kuvert und stand auf.
"Das würde ich sehr gerne, aber wenn ich bei diesem Wetter das Haus verlasse, meldet sich sicher wieder meine Migräne und das möchte ich vermeiden." Kevins Mutter lächelte ihr zu. "Ich bin sehr froh, dass Sie bei uns sind, Michelle. Mein Sohn ist wie ve rwandelt, seit er Sie kennt. Zum ersten Mal habe ich wirklich das Gefühl, als würden die Schatten der Vergangenheit auch in ihm verblassen."
Sollte sie noch einmal versuchen, mit Lady Patricia über Dan ielle zu sprechen? Michelle setzte bereits zu einer Frage an, aber ihre zukünftige Schwiegermutter ließ es nicht zu. "Sie sollten gehen, bevor das Wetter wieder umschlängt, mein Kind", mahnte sie und schenkte der jungen Frau ein gütiges Lächeln. "Danielle ist tot. Lassen wir sie in Frieden ruhen."
Es blieb Michelle nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Sie holte sich aus ihrem Zimmer einen Mantel. Unten in der Halle begegnete ihr Mrs. White. Die Hausdame drückte ihr einen R egenschirm in die Hand.
Die junge Frau schlug den Weg zum Friedhof ein. Sie hatte sich längst vorgenommen, nach Danielles Grab zu suchen. Um ihren Hals trug sie die beiden Münzhälften. Es war ihr gelungen, die Schlaufe der zweiten Hälfte zu reparieren. Die Luft im Park war so rein und klar, dass Michelle immer wieder stehen blieb und sie in tiefen Zügen einatmete. Trotz der Gedanken, die sie sich um
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