Tod den alten Göttern
Eadulf so dahinritt, machte er sich Sorgen um Fidelma. Was könnte nicht alles passieren, wenn diese fremden Raubmörder
merkten, dass sie verfolgt wurden und sich in einen Hinterhalt legten! Zwar hatte er volles Vertrauen zu Caol und Gormán als
tapfere Krieger, aber sie waren nur zwei gegen eine Übermacht. Zu allem Übel war Fidelma unterwegs ins Gebiet der Cinél Cairpre,
deren bisheriger Häuptling den Hochkönig ermordet hatte. Bei dem Gedanken hätte er den Gaul fast zum Galopp angetrieben, obwohl
er wusste, dass er so ein Tempo im Wald schon gar nicht durchhalten konnte.
Unversehens machte der Pfad um eine Gruppe großer Findlinge eine Biegung, und ehe Eadulf wusste, wie ihm geschah, befand er
sich inmitten einer Bande bewaffneter Reiter. Er hörte Bruder Manchán schrill aufschreien, und schon sah er sich von entblößten
Schwertern umringt. Sein Pferd scheute und blieb stehen.
Die Frage, die er stellen wollte, erstarb ihm auf den Lippen. Es waren an die zwei Dutzend Reiter und dazu noch etliche Lasttiere.
Schreckliche Angst stieg in ihm auf, als er die Situation erfasste: Dieser Haufe war genau der, dem Fidelma hatte folgen wollen.
Sie mussten irgendwie unterwegs umgekehrt sein. Er war ihnen hilflos ausgeliefert.
Gormán kam seinen Leuten entgegengetrabt und schaute düster drein. »Ich fürchte, wir haben ihre Fährte völlig verloren, Lady«,
rief er Fidelma zu. »Vor uns finden sich keinerlei Spuren.«
»Dann müssen sie am Fluss wieder umgekehrt sein«, stöhnte |284| Caol. »Sie werden das steinige Flussbett genutzt haben, um ihre Fährte zu tilgen.«
»Haben sie das aus reiner Vorsicht gemacht, oder haben sie gemerkt, dass wir ihnen folgen?«, überlegte Fidelma.
»Erfahrene Wegelagerer, die sie sind, tilgen sie immer ihre Spuren«, gab Gormán zu bedenken. »Und die Stelle da hinten war
wie geschaffen dazu. »Ihr erinnert euch, der Untergrund auf der anderen Seite war voller Kieselsteine, da konnte man nicht
die geringste Spur ausmachen. Ich glaube, die haben den Fluss nicht mal überquert und sind hier überhaupt nicht langgekommen.«
»Wie weit bist du denn vorausgeritten?«, fragte Fidelma.
»Der Weg hier läuft über weichen Boden und zieht sich einen Hang hoch, von dem aus man eine Ebene mit Weizenfeldern vor sich
hat. Selbst wenn mir bis oben auf dem Berg keine Spur aufgefallen wäre, in dem Ackerland hätte eine Reiterschar deutliche
Furchen hinterlassen müssen, doch ich habe nicht eine einzige erspähen können.«
»Sollen wir umkehren«, fragte Caol, »und noch mal versuchen, ihre Fährte aufzunehmen?«
»An dem Fluss hätten sie nach Norden oder Süden gehen können«, machte ihnen Fidelma klar. »Du hast das Ufer in beiden Richtungen
ziemlich weit abgesucht, wir würden eine Weile brauchen, bis wir wieder auf Spuren stoßen. Eigentlich wollten wir aber zu
Ardgal. Deshalb denke ich, wir reiten weiter und versuchen ihn zu finden.«
Die beiden Krieger hatten nichts dagegen, und die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Fidelma gab sich zuversichtlich,
doch insgeheim machte sie sich große Sorgen. Sie hoffte inständig, dass Eadulf die Abtei Delbna Mór hatte erreichen und Bruder
Céin warnen können. Wenn die
dibergach
wirklich so niederträchtig waren, wie man sich erzählte, dann konnte |285| es höchst gefährlich werden, als unbewaffneter Mönch in dieser Gegend unterwegs zu sein.
Einer der Reiter, die Eadulf umringten, bugsierte sein Pferd näher heran. Das war ein Kerl mit schwarzem Bart und grobem,
gerötetem Gesicht. Sein metallener Kriegshelm war mit einem ausgestopften Raben verziert, dessen Flügel zu beiden Seiten abgespreizt
waren. Das Schwert, das er in der Hand hatte, lag lose auf dem Sattelknauf. Er trug keine Rüstung, abgesehen von einem Lederwams
über seiner schwarzen, verdreckten Kleidung.
»Ha, wen haben wir denn hier? Einen Christen mit dem Zeichen der römischen Sklavenherrschaft! Und schleppt noch die Elendsgestalt
eines anderen Christen mit sich, der aussieht, als wäre er aus einem Ofenloch gekrochen. Vielleicht ist er gerade aus dem
Höllenfeuer geschleudert worden, an das die Christen glauben, soviel ich weiß.«
Seine Kumpane lachten schallend über seine Scherze.
Eadulf begriff, dass dem Mann seine Tonsur aufgefallen war, die
corona spinea
, die Tonsur des Petrus, die sich von der des Johannes unterschied, die die Mönche in den fünf Königreichen trugen.
Statt einer Antwort starrte er den
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