Tod den alten Göttern
Dienerschaft hat ein kaltes Mahl bereitet. Ich wusste nicht recht, wann wir so weit sein würden, und hielt es auch
für besser, keinen der Bediensteten hierzubehalten; so konnte niemand mithören, worüber wir sprachen.«
Eadulf betrachtete den Tisch mit Wohlgefallen. Da lockten Platten mit kaltem Wildbret, andere mit aufgeschnittenem Rinderbraten.
Er entdeckte eine Schüssel mit hart gekochten Gänseeiern und eine andere mit Weißkäse. Auch Hartkäse, der sogenannte
tanag,
stand auf dem Tisch und verschiedene Brotsorten. Es gab Salate aus Knoblauch, Kresse und Waldsauerklee, gemischt mit Schlehen
als Würze, aber auch Obstsalat aus Haselnüssen, Äpfeln, Blaubeeren und Honig. Krüge mit Apfelwein, Holunder- und Apfelsaft,
ja, sogar Rotwein von jenseits der See luden zum Trunk. Wahrlich, ein köstliches Mahl.
Während des Essens wurde der Anlass ihres Hierseins gemieden; in den Gesprächen ging es mehr um allgemeine Belange in den
Königreichen, um die Ernte, um einen möglichen |101| neuerlichen Ausbruch der Gelben Pest, die mit verheerenden Folgen über das Land gegangen war.
Dann wurde es Zeit, dass sich Fidelma und Eadulf ins Gästehaus begaben. Cenn Faelad reichte ihnen zum Abschied die Hand.
»Möge Gott deine Arbeit begleiten, Fidelma. Wir erhoffen uns eine rasche Klärung der Dinge. Es ist nicht gut, wenn die fünf
Königreiche ohne einen nach alter Tradition bestätigten Hochkönig sind. Bevor wir die Unterkönige zu meiner Amtseinführung
einladen, gibt es noch eine Menge zu tun. Wir werden auch die Brehons von überall her zusammenrufen müssen, um einen neuen
Obersten Richter ernennen zu lassen.«
Sein letzter Satz überraschte Fidelma, und sie sah ihn erstaunt an. Er erriet ihre stumme Frage.
»Barrán ist mein Vetter, wie wir vorhin gesagt haben, und ich habe ihn überzeugen können, fortan als mein
tánaiste
zu wirken. Auf einen wie ihn kann ich mich beim Regieren stützen. Wir brauchen also einen neuen Obersten Richter, der an seine
Stelle tritt. Das erklärt die Dringlichkeit, mit den Dingen voranzukommen.«
»An mir soll es nicht liegen; ich werde tun, was in meinen Kräften steht«, erwiderte sie ernst. »Sowie es hell wird, also
schon früh am Morgen, werden wir beginnen. Als Erstes werde ich einen Blick in Sechnussachs Gemächer werfen.«
»Viel wirst du da nicht sehen. Der Mord geschah vor zwei Wochen, und das meiste ist bereits aus den Räumen geschafft.«
»Trotzdem, ich will sehen, wo der Mord geschah, man kann sich die Vorgänge dann besser vorstellen.«
»Ich komme morgen nach eurem Frühstück ins Gästehaus und begleite dich dann dorthin«, versprach Abt Colmán. »Wie |102| Cenn Faelad schon betont hat, äußere deine Wünsche, und ich stehe dir zu Diensten.«
»Gut, bis nach dem Frühstück also«, sagte Fidelma abschließend.
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KAPITEL 6
Noch vor der Morgendämmerung wachte Eadulf auf. Er hörte Fidelmas regelmäßiges Atmen, und das sagte ihm, dass sie fest schlief.
Warum er aufgewacht war, konnte er sich zunächst nicht erklären. Dann aber hörte er aus der Küche Geräusche. Er blickte aus
dem Fenster. Der Himmel verriet, dass es bald hell werden würde. Am liebsten hätte er sich noch einmal umgedreht und wäre
gern in die Behaglichkeit seines Traumes zurückgekehrt, aber selbst wenn ihm das gelingen würde, schon wenige Minuten später
würde man ihn unsanft aus dem Schlummer reißen. Seufzend entschied er sich, das Beste aus der Situation zu machen, und stand
auf.
Wenn ohnehin schon jemand in der Küche war, konnte er sich auch waschen, ehe Fidelma und die anderen aufstanden. Er schlich
sich zur Tür, öffnete sie leise, um Fidelma nicht zu stören, und trat hinaus in den Gang.
Draußen vernahm er verhaltenes Flüstern. Wer mochte da wie er bereits auf sein? Nach ein paar weiteren Schritten blieb er
peinlich berührt stehen, denn er erkannte eine Frauenstimme. Wo hatte er sie schon mal gehört? Ach ja, das war das Mädchen
mit dem merkwürdigen Namen gewesen – wie war der doch gleich? Cnucha?
Nicht die Stimme an sich, sondern die Worte, die fielen, ließen ihn die Küche nicht betreten.
»Sie ist eine …«. Das entscheidende Wort verstand er nicht, hatte aber das Gefühl, dass es nichts Schmeichelhaftes war. |103| »Ich sehe nicht ein, wieso ich ihre Arbeit machen soll.« Es klang halb vergrätzt, halb bockig.
»Weil im Moment kein anderer da ist, der sie machen kann, deshalb.«
Der gebieterische Ton, mit dem
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