Tod den alten Göttern
Ereignisse, wie sie sich dir dargestellt haben.«
»Ich kann mich nicht verteidigen, Lady«, begann er erneut. »Ich habe dem Mann, der den Hochkönig ermordet hat, Zutritt zum
Burggelände gewährt, und das zu einer Stunde, da jeglicher Einlass verboten war.«
|125| »Danach habe ich dich nicht gefragt«, wies sie ihn entschieden zurecht.
Er war verwirrt. »Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
»Wann genau begann deine Nachtwache?«
»Zur Mitternacht. Da findet immer die Wachablösung statt, und meine Wache ging bis zum Tagesanbruch. Nachts um zwölf werden
die Haupttore geschlossen und verriegelt, und meine Aufgabe bestand darin, an den Toren Wache zu halten. Nur in Ausnahmefällen
darf das Tor geöffnet werden; da ist noch eine Pforte eingelassen, durch die kann jeweils nur eine Person hindurch.«
»Dem kann ich folgen. Hat sich während deiner Wache irgendjemand dem Tor genähert oder ist hereingelassen worden? Ich meine,
noch vor dem Mörder?«
Erc sah sie verdutzt an und schüttelte den Kopf.
»Der Mörder ist also der Einzige, der durch das Tor gekommen ist?«
Er nickte. »Er tauchte kurz vor Tagesanbruch auf. Es war noch dunkel, aber hinter den Bergen im Osten dämmerte es schon.«
»Und was geschah dann?«
»Ich forderte ihn natürlich auf, sich zu erkennen zu geben. Er trat daraufhin ins Licht der Fackeln, und ich sah, wer er war.«
»Du kanntest ihn?«
Erc nickte. »Deshalb habe ich ihn ja reingelassen. Es war Dubh Duin von den Cinél Cairpre.«
Fidelma runzelte die Stirn.
»Du hast ihn in die Königsburg gelassen, bloß weil er ein Stammesfürst war, den du kanntest? Soweit mir die Vorschriften bekannt
sind, darf niemandem, nicht mal einem entfernten Verwandten eines Königs, Einlass gewährt werden, |126| nachdem die Tore zur Nacht verschlossen und verriegelt sind.« Und an Abt Colmán gewandt stellte sie fest: »Das sind fürwahr
bemerkenswerte Zustände, wenn sich ein Mörder der riesigen Burganlage von Tara nähern und durch die Tore schreiten kann, die
normalerweise bei Dunkelheit verriegelt sind. Marschiert dann unbehelligt zum Haus des Hochkönigs, passiert auch dort eine
unverschlossene Tür, die eigentlich von Kriegern bewacht werden soll, gelangt ans Schlafgemach des Hochkönigs, hat einen passenden
Schlüssel zur Hand, verschafft sich auf diese Weise Zutritt und ermordet ihn.«
»Ich gebe zu, dass wir unsere Lehren ziehen müssen«, bemerkte er kleinlaut. »Wir werden mit Irél sprechen; er ist der Befehlshaber
der Fianna. Dubh Duin ist sonst einzig und allein in den Residenzbereich gelassen worden, wenn der Große Rat tagte.«
Erc sah noch jämmerlicher drein als zuvor, raffte sich aber zusammen und fügte plötzlich hinzu: »Das stimmt nicht. In den
vergangenen vierzehn Tagen ist Dubh Duin wiederholt nach Mitternacht auf der Burg gewesen.«
Überrascht schaute Fidelma zu Abt Colmán, der aber war nicht weniger erstaunt.
»Und wer hat veranlasst, dass er Zutritt erhielt?«, fragte sie scharf.
»Lady Muirgel.«
»Muirgel? Die älteste Tochter des Hochkönigs?«
»Eben die. Sie hatte die Befugnis, ihn durch die Wachtposten zu geleiten. Wie konnte ich die Anordnungen der Tochter von Sechnussach
in Frage stellen?«
Fidelma betrachtete den Mann nachdenklich. »Lass es mich noch einmal klarstellen: Lady Muirgel, die Tochter von Sechnussach,
hat dir in den vergangenen zwei Wochen mehrfach |127| befohlen, Dubh Duin nach Mitternacht in den Burghof zu lassen?«
Er nickte bekräftigend. »Genau so war es. Und das letzte Mal hat sie noch ausdrücklich gesagt, sollte ich Wache haben, wenn
sie mal nicht da ist, um Dubh Duin in Empfang zu nehmen, dann soll ich ihn ungehindert passieren lassen. Deshalb habe ich
ihm in jener Nacht den Zutritt auch nicht verwehrt.«
»Hast du irgendjemandem etwas davon zu deiner Rechtfertigung gesagt?«
»Niemand hat mich gefragt, man hat mich einfach hierher gebracht.«
»Befragt im eigentlichen Sinne wurde er nicht«, beeilte sich Abt Colmán zu sagen. »Man hat von ihm nur wissen wollen, ob er
Dubh Duin Einlass gewährt habe, und als er das bestätigte, hat man ihn hierher geschafft, damit er in Sicherheitsverwahrung
seine Vernehmung durch einen Brehon abwartet.«
Eadulf beugte sich zu Erc vor. »Hat Lady Muirgel dir auch den ausdrücklichen Befehl gegeben, Dubh Duin in der Nacht, in der
der Mord geschah, passieren zu lassen?«
Erc schüttelte den Kopf. »Ich fand, Lady Muirgels Anordnung war
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