Tod den alten Göttern
erstaunt.
»Bischof Luachan ist ein kräftiger Mann. Außerdem sagte er, er hätte weiter unten am großen Fluss einen Freund wohnen, nicht
weit von der Stelle, wo die Fähre anlegt, und bei dem könnte er rasten, wenn er nicht gleich weiter wolle.«
»Und unterwegs bis zu der Stelle, wo ihr euch getrennt habt, ist da irgendein Wort über die merkwürdige Begegnung gefallen?«
»Nicht ein einziges. Der Bischof war genauso schweigsam wie auf dem Hinweg. Verbissen in sich gekehrt und wortkarg würde ich
sein Verhalten beschreiben.«
»Seltsam. Du hast nichts über den Grund dieses Treffens herausbekommen? Kein Wort, kein harmloses Geplauder? Absolut nichts?«
»Mehr als was ich schon berichtet habe, weiß ich nicht, Lady. Ich kann dem nichts hinzufügen …« Irgendetwas schien ihn zu
beschäftigen, denn er ließ das Satzende in der Schwebe.
»Vielleicht doch?«, ermunterte ihn Fidelma.
»Nichts besonderes, und wahrscheinlich gar nicht der Rede wert, aber ich gewann den Eindruck, er hatte ein Geschenk für Sechnussach
bei sich.«
»Ein Geschenk?«
»Er hatte eine Satteltasche, und als wir von Delbna Mór aufbrachen, packte er da etwas hinein, das in ein Leinentuch gehüllt
war. Bei unserer Ankunft hier holte er es heraus und |142| nahm es zu dem Treffen mit Sechnussach mit. Und als wir wieder fortritten, hatte er es nicht mehr bei sich, also muss er es
beim Hochkönig gelassen haben. Meiner Meinung nach handelte es sich um etwas Schweres.«
»Etwas Schweres?«
»So wie er es trug, ja.«
»Kannst du dich erinnern, was für eine Form es hatte?«
Irél überlegte. »Durch den Stoff, in den es gewickelt war, konnte man es nicht richtig erkennen. Aber ich würde sagen, es
war rund, ungefähr ein
troighid
im Durchmesser, aber sehr flach, wie ein Teller.«
Eadulf rechnete das irische Maß rasch um und kam auf etwa einen Fuß.
»Also nicht allzu groß, aber schwer. Wird aus Metall oder Stein gewesen sein, vermutlich Metall.«
»Könnte sein.«
»Du hast aber keine Ahnung, aus welchem Material der Gegenstand gefertigt war?«
»Nicht die geringste.«
»Danke, Irél. Deine Aussagen waren sehr aufschlussreich. Möglicherweise sprechen wir später noch mal miteinander.«
Der Krieger stand auf, führte eine Hand zur Stirn wie zum Gruß und verließ den Raum.
Eadulf und Fidelma blieben in der Bibliothek allein zurück.
»Viel weiter hat uns das nicht gebracht«, meinte Eadulf.
»Mit nur einer Nuss kommt ein Eichhörnchen nicht durch den Winter«, entgegnete Fidelma. »Aber es sammelt tagein tagaus eine
Nuss hier, eine Nuss da, bis es einen ganzen Berg zusammen hat, der ist dann sein Vorrat und hilft ihm zu überleben.«
Etwas ratlos sah er sie an.
»Du und ich sammeln die Nüsse«, fuhr sie fort. »Wir sammeln |143| und sammeln, bis wir uns einen Vorrat angelegt haben, und wenn wir den dann eingehender betrachten, offenbart sich uns des
Rätsels Lösung. Eins sollte ich dir aber nicht vorenthalten: Delbna Mór ist von dem Gebiet der Cinél Cairpre, deren Stammesfürst
Dubh Duin war, nicht sonderlich weit entfernt. So, und jetzt nehmen wir uns Muirgel vor.«
Die zu finden war nicht so leicht. Sie kehrten zum Wohnhaus des Hochkönigs zurück und fragten den Wachtposten dort. In gleichgültigem
Ton brachte er seine Unkenntnis zum Ausdruck und verwies auf die Bediensteten. Sie gingen also hinein, fanden unten aber keine
Menschenseele. Unverdrossen erklomm Fidelma die Stufen, die zu den oberen Räumlichkeiten führten. Nur zögernd folgte ihr Eadulf.
»Ich fürchte, es gehört sich nicht, unangemeldet im Königshaus umherzuwandern«, flüsterte er.
»Ich sehe niemand, der uns nach unserem Begehr fragen könnte«, erwiderte sie ungerührt.
Oben angelangt blieb sie einen Augenblick stehen und entschied sich dann für die Tür, die ihnen Abt Colmán zuvor als die beschrieben
hatte, die in den Wohnbereich der Familienangehörigen des Hochkönigs führte, falls sie sich auf der Burg aufhielten. Sie klopfte
an und horchte. Drinnen blieb es still. Fidelma wartete kurz ab, warf Eadulf einen vielsagenden Blick zu und drückte die Klinke
herunter.
Der Raum, den sie betraten, war leer. Er war fast ebenso kahl wie das Schlafgemach des Hochkönigs. Überrascht schauten sie
sich um.
»Das sieht hier eher unbewohnt aus, und das wohl schon seit längerem«, stellte Fidelma fest. »Abt Colmán hat ja darauf hingewiesen,
dass Gormflaith und ihre Töchter in einem anderen Gebäude wohnen aber
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