Tod den alten Göttern
dem Nichts,
verschwand wieder, und wir suchten eingedenk deiner Worte alles ab und konnten sie doch nicht finden.«
»Lady, vor nichts in dieser Welt fürchten wir uns, aber wenn es um die Anderswelt geht, mit der wir es aufnehmen müssen, dann
sollte man es uns sagen. Sind es Sterbliche, mit denen wir es zu tun haben, oder heißt es Tod den alten Göttern?«, ergänzte
Gormán seinen Kampfgefährten.
Abt Colmán erfasste nicht recht, wovon die beiden Krieger sprachen, und wollte gerade etwas anmerken, als Eadulf mit einem
nervösen Hüsteln die Aufmerksamkeit auf sich zog.
»Ich habe es bislang nicht erwähnt«, gestand er Fidelma, »aber auch ich habe das alte Weib wiedergesehen. Das war, als wir
nach unserem Gespräch mit Erc aus dem Verließ kamen. Ich trat ans Licht, und da stand sie auf der Mauer. Sie wiederholte die
warnenden Worte vom Fluss, und als ich genauer hinsah, war sie verschwunden.«
Fidelma betrachtete ihn nachdenklich. »Ich hatte mich schon gewundert über dein seltsames Verhalten. Als du zur Mauer ranntest,
suchtest du sie wohl?«
»Ja. Aber ich konnte sie nirgends entdecken. Ist sie eine Sterbliche oder ein Dämon? Mir steht der Sinn nicht nach mysteriösen
Erscheinungen.«
Caol und Gormán pflichteten ihm murmelnd bei, doch Fidelma schüttelte lächelnd den Kopf.
»Für jedes geheimnisvolle Geschehen gibt es eine vernunftmäßige Erklärung«, sagte sie belehrend.
|164| »Du musst schon entschuldigen. Wenn es um Dinge jenseits menschlicher Erklärung geht, ist mit Vernunft wenig auszurichten«,
ereiferte sich Caol und blickte Unterstützung suchend zu Abt Colmán.
Der Abt legte die Stirn in Sorgenfalten. »Gern würde ich euch mit meinem Rat zur Seite stehen, wenn ich nur verstünde, wovon
ihr redet.«
Aufmerksam lauschte er Fidelmas Erklärungen, die ihm schilderte, wie sie einer Alten am Fluss begegnet waren. Er drängte auf
eine genauere Beschreibung der Gestalt, die sich als Badb ausgegeben hatte. Zu guter Letzt gluckste er kopfschüttelnd vor
sich hin.
»Die arme Mer. Gut vorstellbar, dass sie alle, die sie und ihr verrücktes Gebaren nicht kennen, in Unruhe versetzt.«
»Mer?«, wiederholte Fidelma.
»Ja, so heißt sie. Sie ist alt und verwirrt und geistert Abfälle sammelnd hier herum. Wahrscheinlich hat sie mitbekommen,
dass man nach dir geschickt hat, um den Mord an Sechnussach aufzuklären, und hat sich die Geschichte auf ihre Art und Weise
zurechtgelegt. Sie hält an dem Alten Glauben fest, bösartig ist sie nicht. Wirr im Kopf, ja, aber wie wir wissen, haben die
Kranken und Törichten Gottes Segen. Sie tut keinem etwas zuleide.«
»Tut einem nichts zuleide, wenn sie doch Flüche und Warnungen ausstößt?«, verteidigte sich Eadulf, der sich nun wie ein Narr
vorkam.
»Ihr selbst hat man Leid angetan, Bruder Angelsachse«, erläuterte der Abt. »Wir hier sehen über ihre Merkwürdigkeiten hinweg.
Ihr Mann wurde in der großen Schlacht von Carn Conaill getötet, und seitdem ist sie wirr im Kopf.«
»Das ist doch aber schon lange her«, meinte Caol. »Das war eine Schlacht in Connacht.«
|165| »Du hast deine Geschichte gut gelernt, Krieger«, lobte der Abt. »Niemand weiß, wie sie wirklich heißt; jedermann hier kennt
sie nur als Mer. Sie stammt aus Connacht, und ihr Mann war Krieger in der Heerschar von Guaire, dem König von Connacht. Dem
Hörensagen nach war es zwischen Guaire und Diarmait von Tara zu einem Streit gekommen. Diarmait zog mit seiner Streitmacht
gegen seinen Widersacher, aber Guaire suchte einen Waffenstillstand zu erreichen. Der Abt von Cluain, Mic Nois, jedoch und
der gesamte Klerus drängten Diarmait, Guaires Kämpfer niederzumetzeln. Die Geistlichen von Cluain Mic Nois strömten zum Gebet
auf das Schlachtfeld und baten Gott, ihm den Sieg zu gewähren.«
»Warum erzählst du uns das alles?«, wollte Eadulf wissen.
»Weil ich glaube, das Wirrsein der Frau ist auf diese Geschehnisse zurückzuführen. Ihr Mann wurde getötet, und für sie trug
nicht nur Diarmait von Tara die Schuld an seinem Tod; in ihren Augen hatten sich alle Priester des Neuen Glaubens mitschuldig
gemacht. Sie kam nach Tara in der Vorstellung, hier herumgeistern zu müssen – so erklärt man es sich jedenfalls. Sie stößt
Verwünschungen aus und droht Tara und seiner Geistlichkeit im Namen der alten Götter und Göttinnen. Niemand weiß, wo sie haust,
aber seit vielen Jahren zieht sie in den Bergen umher und klaubt sich
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