Tod den alten Göttern
Sechnussachs Tod erreichte, sagte Luachan, wir müssten auf der Hut sein. Nicht lange, und wir fanden Bruder
Diosmasachs Leiche, und da meinte er, unsere Feinde seien nicht mehr weit, und erzählte mir die ganze Geschichte.«
»Hat er gesagt, wer die Feinde wären?«
»Er hat nur von Feinden gesprochen, die den Glauben an Christus in diesem Land vernichten wollten.«
»Namen hat er nie genannt? Kein Wort, an wen er gedacht hat, wenn er von Feinden sprach?«
»Nichts in dieser Richtung. Er hatte nur das Gefühl, sie wären ganz nahe. Überfälle auf abgelegene Gemeinden häufen sich,
wie wir in letzter Zeit erfahren mussten. Er glaubte, die Übeltäter hätten Zulauf und erhielten sogar Unterstützung von einigen
Stammesfürsten.«
»Von solchen wie Dubh Duin von den Cinél Cairpre?«
»Auch der wurde genannt. Dubh Duin erweckte den Anschein, Anhänger des Alten Glaubens zu sein, Bischof Luachan |265| meinte jedoch, innerhalb seines Clans müsste er sich zurückhalten.«
Eadulf hatte seine Bedenken. »Wie kann das möglich sein?«
»Du weißt doch, wie das bei uns ist, Bruder Eadulf. Der Rat der Großfamilie, der
derbhfine,
wählt einen Stammesfürsten, dessen Ahnenreihe bis in die Vorzeit reicht; er muss sich als würdig erwiesen haben, muss für
das Wohlergehen seines Volkes wirken. Er ist dem Gesetz verpflichtet, und sollte er nicht den Wünschen und Vorstellungen seines
Stammes entsprechen, sich fahrlässig oder despotisch verhalten, kann er ohne Weiteres abgesetzt werden. Nur der Würdigste
und allseits Geachtete wird erfolgreich sein und sich als Stammesfürst behaupten.«
Eadulf war die Verfahrensweise bekannt, aber es war nicht das, was er meinte.
»Mir geht es um das, was du zuvor sagtest. Hatte Dubh Duin andere religiöse Auffassungen als sein Clan? Soviel ich weiß, hält
der gesamte Stamm der Cinél Cairpre an den alten Traditionen fest.«
Bruder Céin zögerte mit seiner Antwort, erklärte dann aber: »In den letzten Jahren bin ich nicht mehr im Gebiet der Cinél
Cairpre gewesen, doch bei meinem letzten Besuch dort waren die meisten, denen ich begegnete, Christen, und nur einige ältere
Leute hielten es mit den Göttern von Danú.«
»Das heißt mit dem Alten Glauben?«, vergewisserte sich Eadulf.
»Mit dem Alten Glauben«, bestätigte der Verwalter. »Man chen Menschen fällt es schwer, sich von alten Wegen zu trennen und einen neuen zu beschreiten.«
Fidelma schwieg. Wenn Stammesfürsten wie Dubh Duin oder sein Nachfolger Ardgal tatsächlich aufständische Banden unterstützten
und möglicherweise bei der Ermordung von |266| Sechnussach die Hand mit im Spiele hatten, dann hatte sie es mit einer Bewegung zu tun, die bereits einer Rebellion gegen
den Hochkönig gleichkam und in einen Bürgerkrieg ausarten konnte. Das aber drohte ein Bürgerkrieg zu werden, wie man ihn bisher
nicht kannte, denn die Fronten würden sich danach richten, für welche Religion die Menschen standen. Die Vorstellung war erschreckend.
»Und trotz seiner Befürchtungen machte sich Bischof Luachan allein auf den Weg, um dem Hilferuf der kranken Bauersfrau zu
folgen«, grübelte Eadulf laut.
»Bischof Luachan war ein gütiger und großherziger Mensch, ein Mann, der seine Berufung zum Priester und Heiler gleichermaßen
ernst nahm«, fühlte sich Bruder Céin gemüßigt zu erklären.
Völlig unerwartet für die anderen griff Fidelma nach der Öllampe.
»Du hast uns hierhergeführt, um uns die Erdhöhle zu zeigen. Da ich nun einmal hier bin, möchte ich sie mir auch ansehen.«
Energisch schüttelte Bruder Eadulf den Kopf.
»Wenn jemand hineingeht, bin ich es. Wer weiß, ob nicht wilde Tiere den Zugang entdeckt und dort unten ein warmes Nest für
sich gefunden haben? Wölfe, vielleicht sogar Bären. Es ist genau die Zeit, da Bären Winterschlaf halten.«
»Braunbären kommen hier kaum noch vor. Wölfe schon eher, aber sie meiden menschliche Ansiedlungen, selbst wenn dort niemand
mehr wohnt.«
»Ich gehe trotzdem zuerst«, beharrte Eadulf.
Es hatte keinen Sinn, sich zu streiten. »Gut, geh du vor, ich folge dir«, gab Fidelma nach.
Eadulf kletterte in den niedrigen Stollen und musste sich kriechend fortbewegen. Mit der einen Hand hielt er die flackernde |267| Öllampe. Der Lehmboden war trocken und hart. Die Decke hing niedrig über ihm, und er streifte fast die Wände; für jemanden,
der unter Platzangst litt, war der Ausflug nichts. Er dachte daran, dass Bruder Céin gesagt
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