Tod den Unsterblichen
System, ein verdammtes Ding,
eine zyklische Gruppe (hick!), genannt auch der Ring!«
In einer Hand hatte er ein scharfes Messer, das er aus der Schublade des Tranchiers stibitzt hatte; er schwang es und trat auf der Stelle.
»Verdammt noch mal, macht schon!« schrie er lachend. »Bringt mich um die Ecke!«
»Retten Sie ihn!« rief Locille und wollte zu ihm eilen; Rhame packte sie beim Arm. »Lassen Sie mich los! Sonst schneidet er sich die Kehle durch!«
Rhame hielt sie fest und starrte hin. Cornut hatte sie nicht einmal gehört; er grölte wieder. Schließlich sagte Rhame: »Sehen Sie nur, er tut es nicht. Und er hatte alle Zeit dazu, so wie es hier aussieht. Selbstmordsüchtig? Vielleicht irre ich mich, Locille, aber mir scheint, daß er einfach sternhagelvoll ist.«
15.
Überall in der Stadt und auf der Welt wiederholten sich Szenen wie die vor der Universitätsklinik, denn der Pöbel war durch das Auftreten einer – seit Jahrhunderten verschwundenen! – Seuche in Panik geraten und riß sich um das Amulett, das ihn davor schützen sollte. Nicht einmal einer von hundert erkrankte ernsthaft, aber das genügte schon. Ein Prozent von zwölf Milliarden sind hundertzwanzig Millionen – und hundertzwanzig Millionen Fälle der tödlichsten, ansteckendsten … und unentschuldbarsten Krankheit. Denn die Pocken können unfehlbar verhütet werden, und nur eine Welt, die Jenner vergessen hatte, konnte von ihnen überrumpelt werden … oder eine Welt, in der die Erinnerung an Jenners jahrhundertealte Prophylaxe systematisch ausgelöscht worden war.
Im höchsten Turm von Port Monmouth benutzten die acht wichtigsten Fernsehprogramme die Sender-Verstärker gemeinsam. Äquatorial aufgestiegene Funkuntertassen suchten den Himmel nach Verstärkersatelliten ab. Sobald jeder Satellit in seiner Umlaufbahn über dem Horizont auftauchte, jagte eine Untertasse ihm nach und fand ihn. Diese Untertasse hängte sich an ihn, während er am Himmel vorüberzog, und löste sich von ihm, um nach einem neuen zu suchen, wenn der alte wieder hinter die Erdkrümmung tauchte. Über sechzig Satelliten kreisten um die Erde, die als Verstärker dienen konnten, jeder auf eine spezielle Bahn geschickt und speziell ausgerüstet, um die Fernsehprogramme zu empfangen, sie zu entstören, zu verstärken und zurückzusenden.
Sam Gensel war der leitende Ingenieur der gesamten Fernsehtechniker in Port Monmouth.
Es war nicht seine Aufgabe, die Bilder zu beschaffen, die Programme zusammenzustellen oder zu entscheiden, was gesendet wurde. Dozierende Mathematikprofessoren, leichtfüßige Tänzerinnen, schluchzende Filmserienheldinnen – er sah sie alle in den aufgereihten Monitoren seiner Kabine. Er sah sie alle und er sah keinen von ihnen. Sie waren für ihn nur Bilder. Was ihm wirklich gefiel, waren die Testmuster, da sie ihm besser zeigten, was er sehen wollte. Er beobachtete die Wellenbewegung bei Phasenstörungen, das Aus-dem-Mittelpunkt-Gleiten, den elektronischen Schneesturm auf einem gestörten Kanal. Wenn das Bild scharf war, bemerkte er kaum, was es zeigte … doch heute abend verhielt es sich anders.
Heute abend war sein Gesicht ganz bleich.
»Chef«, stöhnte der stümperhafte Techniker von Kanal Fünf, »es ist im ganzen Land so! Sacramento hat sich gerade gemeldet. Und die Übertragung aus Rio zeigt in einer regionalen Sendung, daß ganz Südamerika in Aufruhr ist.«
»Achten Sie auf den Monitor«, befahl Gensel und wandte sich ab. Es war wichtig, daß er einen klaren Kopf behielt, sagte er sich. Leider schmerzte ihm eben der Kopf, den er klar halten mußte, fürchterlich.
»Ich hole mir ein Aspirin«, brummte er seinem Assistenten zu, einem dreißigjährigen Veteranen, dessen Hände heute abend zitterten. Gensel füllte einen Pappbecher mit Wasser, schluckte zwei Aspirin, seufzte und setzte sich an den mit Kaffeetassenringen übersäten Schreibtisch in seinem Büro, das er aus Zeitmangel nur selten benutzte.
Einer der Monitoren zeigte einen Ansager, der verzweifelt lächelte, während er die Nachrichten vorlas: »… die Krankheit reagiert auf keines der bekannten Antibiotika. Allen Personen wird geraten, das Haus möglichst nicht zu verlassen. Größere Versammlungen sind verboten. Alle Schulen werden bis auf weiteres geschlossen. Es wird dringend empfohlen, sogar innerhalb der Familien persönliche Kontakte möglichst zu vermeiden. Und vor allem bittet das Gesundheitsministerium jeden dringend, sich zu gedulden, bis ein
Weitere Kostenlose Bücher