Tod den Unsterblichen
kurz nach und beschloß dann, sich einen Abschiedstrunk zu gönnen. Er fand eine Flasche, prostete der Luft zu und sagte laut: »Auf die nächsten Spezies.« Dann machte er sich an die Arbeit.
Der Todesgedanke liegt dem Verstand eines jeden Sterblichen nie fern, aber Cornut hatte das Sterben nie als etwas in der nahen Zukunft betrachtet. Es war seltsam alarmierend. Jeder starb, beschwichtigte er sich. (Nun ja, fast jeder.) Babys starben. Alte Leute beschmutzten sich selbst, seufzten und starben. Neurotiker starben wegen einer eingebildeten Beleidigung oder aus Angst. Tapfere Männer starben im Krieg. Jungfrauen starben, weil sie den Tod dem Harem eines Sultans vorzogen, wie es in alten Geschichten hieß. Warum sollte es also schwer sein?
Da Cornut ein methodischer Mann war, setzte er sich an seinen Schreibtisch und stellte eine Liste auf unter der Überschrift: Todesarten
1. Gift
2. Aufgeschnittene Pulsadern
3. Sprung aus dem Fenster (oder von einer Brücke)
4. Durch Elektrizität …
Er hielt inne. Elektrizität? Klang nicht übel, zumal er fast alle anderen Methoden schon ausprobiert hatte. Es wäre nett, einmal etwas Neues zu versuchen. Er schenkte sich noch ein Glas ein, um darüber nachzudenken, und summte vor sich hin. Er fühlte sich recht friedlich.
»Es ist nur richtig, daß ich sterben soll«, sagte er behaglich. »Natürlich. Hören Sie mich, Jillson?« Selbstverständlich konnte er es nicht wissen. Aber vermutlich hörten sie ihn.
Und vielleicht machten sie sich Sorgen. Das war ein betrüblicher Gedanke, er wollte nicht, daß die Unsterblichen sich seinetwegen Sorgen machten. »Ich verstehe es vollkommen«, sagte er laut. »Ich hoffe, daß Sie mich hören. Ich bin Ihnen im Weg.« Er machte eine Pause, ohne zu merken, daß er den Finger dozierend hob. »Es verhält sich so«, sagte er. »Angenommen, ich hätte Krebs in der Endphase. St. Cyr und ich befänden uns auf einem sinkenden Schiff, und es wäre nur ein Rettungsring vorhanden. Sein Leben läge noch vor ihm, und vor mir läge höchstens noch eine Woche der Schmerzen. Wer bekäme dann den Rettungsring?« Er bewegte den Finger hin und her. »St. Cyr!« donnerte er. »Und so verhält es sich hierbei. Ich habe eine tödliche Krankheit, nämlich das Menschsein. Und es heißt, entweder ihr Leben oder meins!«
Er schenkte sich noch ein Glas ein und entschied, daß diese Wahrheiten, die ihm eingepeitscht wurden, zu großartig waren, um verlorenzugehen. Der Bogen mit den Selbstmordmöglichkeiten fiel unbemerkt zu Boden; vor sich hinsummend schrieb er:
Wir sind Kinder, und die Unsterblichen sind Erwachsene.
Wie Kinder bedürfen wir ihres Wissens. Sie führen uns, sie leiten unsere Universitäten und planen unsere Angelegenheiten; sie besitzen die Weisheit von Jahrhunderten, und ohne sie wären wir verloren, dem Zufall preisgegeben, ein statistisches Chaos. Aber wir sind gefährliche Kinder, so daß sie geheim bleiben und diejenigen sterben müssen, die etwas ahnen …
Er zerknüllte wütend das Papier. Er hatte fast alles verdorben! In seiner Eitelkeit hätte er fast das Geheimnis enthüllt, zu dessen Schutz er im Begriff war zu sterben. Er grapschte auf dem Boden nach der Liste der Möglichkeiten, hielt aber gebückt inne und starrte den Boden an.
In Wirklichkeit konnte er eigentlich keinen von ihnen leiden.
Er setzte sich und schenkte sich traurig noch ein Glas ein. Er konnte sich nicht auf sich verlassen, daß er gute Arbeit leistete, sagte er sich. Wenn er sich zum Beispiel die Pulsadern durchschnitte, könnte jemand kommen, und was wäre peinlicher, als auf einem Operationstisch mit genähten Adern zu erwachen und die verdammte Sache von vorne anfangen zu müssen?
Er stellte fest, daß sein Glas schon wieder leer war, nahm sich aber nicht die Mühe, es nochmals zu füllen. Er fühlte, daß er schon genügend Alkohol intus hatte. Wenn nicht seine eigene verflixte Unzulänglichkeit gewesen wäre, hätte er sich recht wohl fühlen können, denn es war schön zu wissen, daß er in sehr kurzer Zeit den besten Belangen der Welt diente, indem er starb. Sehr schön … Er stand auf und trat strahlend ans Fenster. Draußen wimmelte immer noch die Menschenmenge herum, um in der Universitätsklinik geimpft zu werden; arme Kerle, er hatte es so viel besser als sie! »Wenn man die zweiten, dritten, fünften Zahlen streicht«, sang er. »Hat man das Sieb – He!«
Er hatte eine Idee. Wie herrlich war es, dachte er dankbar, in einer
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