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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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sprechen, aber geh nicht rein ohne mich. Giovanni hat wie gewöhnlich Schwierigkeiten in Rechnen, also sollte ich mich zuerst hier anstellen… «
    Der Wachtmeister wartete vor Zimmer 5. Er kannte einige seiner Nachbarn, aber nur wenige erkannten ihn ohne Uniform. Nachdem zwanzig Minuten vergangen waren und er nicht einmal einen Meter vorgerückt war, verwünschte er seinen Mantel. Obwohl er leicht war, schwitzte der Wachtmeister und traute sich nicht, ihn abzulegen. Er kam ganz selten in die Schule, und wenn, dann fühlte er sich sofort wieder wie ein Schuljunge und machte sich mehr über sein eigenes Verhalten Sorgen als über das seiner Söhne. Schon bei dem Geruch, der in diesem Gebäude lag, fühlte er sich wie ein Elfjähriger, und beim Anblick von Lehrern, die halb so alt waren wie er, kam er sich klein vor. Leute, die in der Schule gut gewesen waren, kannten dieses Gefühl vielleicht gar nicht. Der hochgewachsenen Frau mit Brille, die die Eltern in irgendeiner Angelegenheit aufwiegelte, ging es offensichtlich ganz anders als ihm .
    »Wenn wir vom Direktor keine befriedigende Antwort bekommen, bin ich bereit, die Sache… «
    Den Lehrern gegenüberzustehen war schon schlimm genug, aber dem Direktor, den er noch nie gesehen hatte… !
    »Es muß eine Turnhalle geben, die näher liegt. Um halb eins sind die Kinder hungrig, und ein Weg von zwanzig Minuten durch das Gedränge in der Innenstadt, nur wegen einer Turnstunde, ist lachhaft. Kein Wunder, daß einige Schüler schwänzen. Und wenn man an all die riesigen Grünflächen hier gegenüber denkt, hinter dem Palazzo Pitti, auf denen die Kinder nicht einmal Ball spielen dürfen… «
    Das war durchaus richtig. Er selbst würde sich allerdings nicht trauen… Sie war vermutlich immer die Klassenbeste gewesen. Ihm fiel auf, daß die meisten Eltern so schüchtern wie er waren, auch wenn sie mit allem, was die Frau mit der Brille sagte, einverstanden waren. Er hatte es in jedem Fach immer gerade eben geschafft. Nicht, daß er darunter gelitten hätte, denn mehr wurde von ihm nicht erwartet. Nach einem Elternabend wie diesem – er mußte etwa neun gewesen sein – war seine Mutter einmal nach Hause gekommen und hatte gesagt: »Sie sind alle sicher, daß du ein bißchen besser sein könntest, wenn du nur versuchen würdest, dich zu konzentrieren. Du scheinst immer zu träumen oder mit deinen Gedanken woanders zu sein.« Sie war nicht böse gewesen. Er wußte, sie hätte es gern gesehen, wenn er auf ein Priesterseminar gegangen wäre, aber sie machte ihm nie Vorwürfe, als ihr klar wurde, daß er es nicht schaffen würde. Sie sagte immer nur: »Solange du gesund bleibst…« Er versuchte sich zu erinnern, ob er sich mit Absicht schlechte Zensuren eingehandelt hatte, weil er nicht auf ein Seminar geschickt werden wollte, konnte sich aber nicht mehr entsinnen, wie ihm damals zumute war. Er drängte sich ein wenig nach vorne, als eine Mutter aus dem Klassenzimmer kam und eine andere eintrat. Komische Sache, die Erinnerung. An manche Gegenstände aus der Kindheit, Gerüche und bestimmte Kinder konnte man sich deutlich erinnern, aber nie, aus welchem Grund man etwas getan hatte. Die Frau kam näher. Sie versuchte, von allen Eltern eine Unterschrift zu bekommen, und er hoffte, daß sie ihn nicht fragen würde, denn er wußte überhaupt nicht, worum es bei ihrer Beschwerde ging – was nur bewies, daß seine Lehrer ihn richtig eingeschätzt hatten! Plötzlich schien er weit nach vorn gerückt zu sein, und er hoffte, daß Teresa bald auftauchen würde .
    »Wenn die Eltern der betroffenen Kinder bitte unterschreiben… «
    Gottlob wandte sie sich nicht an ihn, sondern an die kleine, stumme Frau, die gleich neben ihm stand, vermutlich in der Annahme, daß er ihr Mann war. Er seufzte und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein und fragte sich, wo er in diesem Augenblick wohl sein mochte, wenn seine Mutter sich mit dem Priesterseminar durchgesetzt hätte. Sie war aber durchaus zufrieden gewesen, als er sich zu den Carabinieri meldete, denn sie wußte, daß es ein sicherer, angesehener Beruf war. Er hatte noch niemandem, nicht einmal Teresa, gestanden, daß er eigentlich Kunsthandwerker hatte werden wollen. Noch immer faszinierten ihn Menschen, die die Gabe besaßen, schöne Dinge herzustellen. Er erzählte nichts davon, weil er wußte, daß er plumpe, viel zu große Hände hatte und die Leute ihn bloß ausgelacht hätten. Bei diesem Gedanken steckte er die Hände automatisch

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