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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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außerhalb seines Reviers. Er hatte eigentlich vor, den Ponte Vecchio zu überqueren, aber als er näherkam, sah er eine gestikulierende Menschenmenge, die ihm den Weg verstellte. Anscheinend hatten die Vucumpra wieder Ärger. Diese Bedauernswerten hatten immer Ärger mit irgend jemandem. Es waren Westafrikaner, die ihre billigen Schmuckstücke, Gürtel und Taschen auf den Bürgersteigen verkauften und von den Florentinern »Vucumpra« genannt wurden, weil »Vucumpra«, eine Verballhornung von »Vuoi comprare« (»Wollen Sie kaufen?«), so ziemlich das einzige war, was sie sagen konnten. Was sie verdienten, reichte nicht einmal zum Essen, da die Organisation, die hinter ihnen stand, den größten Teil ihrer Einnahmen einstrich. Sie hatten schon genügend Schwierigkeiten mit der Polizei, weil sie illegale Einwanderer waren und überdies ihren Handel ohne Gewerbelizenz betrieben, aber ihre schlimmsten Feinde waren die Florentiner Kaufleute, die sich als die wahren Opfer dieser Situation sahen. Diesmal waren es die Juweliere vom Ponte Vecchio, die sich beschwerten. Und nicht bloß beschwerten, wie es dem Wachtmeister schien, als er näherkam. Es klang, als wäre einer der Juweliere aus seinem Laden herausgekommen und hätte einen Vucumpra tätlich angegriffen. Mitten in der erregt diskutierenden Menschenmenge waren die hohen weißen Helme von zwei städtischen Polizisten zu sehen, denen es aber nicht gelang, den Konflikt zu schlichten. Ein Juwelier brüllte aufgebracht: »Wenn ihr nicht euren Job tut, müssen wir ihn für euch tun. Wißt ihr, wieviel Steuern wir zahlen, um hier auf dieser Brücke unsere Läden betreiben zu können? Und wenn ich noch einmal erlebe, daß dieser Scheißkerl vor meiner Ladentür hockt und mit seinem Plunder meinen Kunden den Weg versperrt, dann kann er sein blaues Wunder erleben, habt ihr verstanden!« Der attackierte Vucumpra weinte. Die anderen drängten sich schützend um ihn, wobei ihre Erregung verständlicher war als ihr Italienisch. Der Wachtmeister drückte sich an der Gruppe vorbei und bahnte sich einen Weg durch die stumm gaffenden Touristenscharen, die zwar nicht verstanden, worum es ging, sich das Schauspiel aber nicht entgehen lassen wollten .
    Welch unvorstellbaren Verhältnissen waren die Vucumpra in ihrer Heimat entflohen, daß sie bereit waren, dieses Leben hier zu ertragen? Hatten sie Familien zurückgelassen, die glaubten, daß sie hier ein Vermögen verdienten ?
    Der Wachtmeister überquerte die Piazza della Signoria, ein einziges Wirrwarr aus Baugerüsten und eingezäunten Baugruben, und ging weiter in Richtung Santa Croce. Dort mußte er stehenbleiben und sich nach dem Weg erkundigen. Die Straße, die er suchte, erwies sich als kurze und enge Gasse, wohin sich keine Touristen verirrten. Von der aufgehängten Wäsche tropfte es ihm auf den Kopf. Irgendwo wurde Saxophon gespielt. Nirgends stand der Name Luciano an der Tür, aber das hieß nicht viel. Er drückte auf gut Glück eine Klingel im Haus Nr. 5. Die Saxophonmusik verstummte, und ein Kopf beugte sich aus einem Fenster im ersten Stock .
    »Was gibt’s? «
    »Ich suche jemand. «
    »Hoffentlich nicht mich. «
    »Luciano. «
    »Bin ich nicht.« Der Kopf verschwand, und die Musik erklang wieder .
    Der Wachtmeister klingelte ein zweites Mal, und wieder erschien der Kopf .
    »Was ist denn? «
    »Komm doch bitte mal runter oder laß mich rein. «
    »Sie müssen hochkommen, ich bin nicht angezogen. «
    Der Wachtmeister wartete, und bald sprang die Tür auf. Eine schwache Glühbirne erleuchtete das schmale Treppenhaus. Die Wände waren feucht. Die Tür zur Wohnung im ersten Stock links war angelehnt, der Wachtmeister drückte sie auf und trat ein. Das kleine, kahle Zimmer war erfüllt von dem durchdringenden Klang des Saxophons, und das Gesicht des jungen Musikers schien vor Anstrengung gleich zu platzen. Er endete tuschartig mit einer hohen Note und grinste. Sein junges Gesicht war rund und sonnig und wurde von braunen Korkenzieherlocken eingerahmt .
    »Setzen Sie sich«, sagte er. Es gab nur einen Stuhl. Der Wachtmeister blickte sich um. Außer dem Stuhl gab es noch ein Bett und einen kleinen, wackligen Tisch. Kleidungsstücke lagen verstreut auf dem Fußboden, auf dem Fensterbrett standen eine Kaffeetasse und ein übervoller Aschenbecher. Der junge Mann trug einen zerrissenen weißen Schlafanzug .
    »Das Zimmer ist nichts Besonderes, und ich kann nicht einmal sagen, daß es mir gehört, weil ich es nur für einen

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