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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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gegeben, sie haben immer gewußt, daß ich nicht, ähm, normal bin, wenn das der Ausdruck ist. Schon als ich klein war, wurde ich oft für ein Mädchen gehalten, ganz egal, wie ich angezogen war. Oh, ich behaupte gar nicht, daß sie nicht beunruhigt waren. Eine reiche, bürgerliche Familie, und ich der einzige Sohn. Sie fuhren mit mir von Arzt zu Arzt, aber in dem Alter konnten sie mir eigentlich keine Vorwürfe machen, oder? Ich weiß noch, als ich in die Pubertät kam, brachten sie mich zu einem Spezialisten, und ich bekam eine Zeitlang männliche Hormone gespritzt, aber die haben mich so krank gemacht, daß meine Mutter die Behandlung abbrach. Sie brachten mich dann zu einem anderen Spezialisten, der sich lange mit mir unterhalten hat. Er war nett. Mich selbst hat es überhaupt nicht irritiert. Jedenfalls kam dabei heraus, daß er meinen Eltern sagte, sie sollten mich sein lassen und daß sie nichts dagegen tun könnten. «
    »Aber… was Sie jetzt machen… «
    »Sie meinen, daß ich Prostituierte bin? Tja, ich bin von zu Hause weggegangen, das war das eine. Ich hab studiert und mein Examen gemacht, und mir wurde klar, daß ich es nicht aushalten würde in einem Beruf, in dem ich gezwungen wäre, mich als Mann anzuziehen und ein total falsches Leben zu führen. Es gab ja nur eine andere Möglichkeit, verstehen Sie? Wenn ich allerdings gewußt hätte, was ich heute weiß… die Gefahren, die Strapazen. Aber ich will nicht klagen. Es gibt Zeiten, da würde ich am liebsten sofort aufhören, aber letztendlich kann ich meinen Lebensunterhalt verdienen und ich selbst sein, als Transsexueller leben. Ich glaube, wenn ich mich verstellen müßte, wäre ich schon längst in einem Irrenhaus gelandet. Obwohl meine Eltern mich so akzeptieren, wie ich bin, sagen sie nie, daß sie wissen, daß ich Prostituierte bin. Sie schließen die Augen davor, und ich will ihnen auch gar keinen Vorwurf machen. Ich wäre die letzte, die es ihnen ins Gesicht sagen würde. Aber Eltern sind seltsam, nicht? Als ich beschloß, mir Silikonbrüste implantieren zu lassen – meine Mutter kam mich anschließend besuchen… ich wollte, daß sie kam, ich mußte es ihr sagen. Ich habe sie ihr sogar gezeigt. Das war vermutlich das einzige Mal, wo es so etwas wie einen Schock gab – ich meine, sie hätte ja mit Unverständnis reagieren können. Aber das tat sie nicht. Das war lange nachdem ich zu Hause ausgezogen war, ich wohnte in einer winzigen Bude mit einem Loch in der Badezimmerwand. Es war ein einziges Chaos, ich hatte nicht gelernt, auf Ordnung zu achten, wie ich das heute tue. Meine Mutter hatte kaum einen Blick für meinen Busen – sie sah immer nur im Zimmer herum und sagte: ›Wie kannst du in solchen Verhältnissen leben, wo wir dich ganz anders erzogen haben?‹ Natürlich konnte ich sie verstehen. Ich war in einer Villa mit zehn Zimmern und zwei Dienern aufgewachsen. Die Arme, sie war richtig schockiert über die Bruchbude und das Chaos darin. Sie ist ein guter Mensch, meine Mutter. Ich weiß, ich hatte mehr Glück als die meisten anderen. «
    »Ja. Den Eindruck habe ich auch. «
    »Irgendwann steige ich aus. Nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann… ich bin so müde… ich wünschte, ich könnte tagelang schlafen… eines Tages, wenn ich Frieden und Ruhe finde… «
    Der Wachtmeister erhob sich. Carla war eingeschlafen, sein Mund stand ein wenig offen. Er nahm seine Mütze und ging leise hinaus .
     
    7
    » S alva, bist du’s? Geh doch mal ran, ich steh gerade am Herd, hab heißes Öl… «
    Er setzte die Mütze ab und griff mit der einen Hand zum Telefonhörer, während er mit der anderen seinen Mantel aufknöpfte .
    »Hallo? «
    »Ist dort Guarnaccia? «
    »Ja, am Apparat. «
    »Ich hab hier Ihren Sohn. Totò. Sein richtiger Name ist Salvatore, ja? «
    Sein Magen krampfte sich zusammen, und die Knie wurden ihm weich. Er griff nach dem wackligen Tisch, um sich aufzustützen. Nicht das… Lieber Gott, alles, nur nicht das. Denken! Gerade er müßte doch wissen, was jetzt zu sagen, welche Frage zu stellen war. Eine markierte Zeitung, ein Foto, oder… »Hören Sie mich? «
    »Ja…« Aber sein Mund war so trocken, daß er das Wort kaum herausbekam. Warum? Warum gerade er? Es war doch sonnenklar, daß sie kein Geld hatten. Ein Racheakt? Sollte jemand aus dem Gefängnis herausgeholt werden? Wieso? Er müßte jetzt rasch nachdenken, an Straßensperren, eine Fangschaltung an seinem Telefon, was noch? Was müßte zuerst getan werden?

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