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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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anständige Häuser. Richtige Häuser, und nicht so ein Loch. Ich will nicht in einer Polizeistation wohnen, wo meine Freunde mich wegen dir und deiner blöden Uniform nicht besuchen können. Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich! «
    Und mit seinem schmächtigen Körper warf er sich gegen die Leibesfülle des Wachtmeisters, trommelte mit den Fäusten auf die beleidigenden goldenen Uniformknöpfe .
    »Totò!« Teresa hielt es nicht mehr aus und stürzte ins Zimmer. Totò warf sich schluchzend auf das Bett, sie lief hin, setzte sich an seine Seite. »Totò! Was ist passiert? «
    Der Wachtmeister entfernte sich stumm. In der Küche goß er sich aus dem Krug, der auf dem gedeckten Tisch stand, ein Glas Wasser ein. Er setzte sich nicht, sondern blieb mit dem Glas am Fenster stehen, starrte hinaus, ohne etwas zu sehen, und trank. Irgendwoher kam ein übler Geruch, und nach einer Weile riß er das Fenster auf. Es regnete herein, die Tropfen fielen bis auf die Spüle und trafen auch sein Gesicht. Er bewegte sich nicht. Erst nach langer Zeit, als der Geruch trotz des geöffneten Fensters noch schlimmer wurde, merkte er, daß auf dem Herd etwas anbrannte. Er stellte die Flamme ab. Das Zeug sah aus wie Olivenöl, war aber rauchend schwarz. Er ging hinaus in den Flur, nahm Mütze und Mantel und verließ die Wohnung .
    Er war lange unterwegs. Automatisch lenkte er seine Schritte in Richtung Arno, vielleicht war ihm nach einem etwas offeneren Ort zumute, an dem er freier atmen konnte, aber eigentlich hatte er kein Ziel. Er spürte einen heftigen Schmerz in der Magengegend, nicht Hunger, sondern eher das Gefühl, als habe man ihm einen Tritt versetzt. Er ging viel schneller als sonst durch die regnerischen Straßen, die in der Mittagszeit menschenleer waren. Er ging wie unter einem Zwang, nahm nur wahr, daß seine Füße auf den nassen Pflastersteinen dahinstapften und gelegentlich in eine Pfütze traten. In seinem Kopf war es leer. Schließlich stand er vor einer Brücke. Er ging bis zur Mitte, blickte über die niedrige Brüstung auf den angeschwollenen Arno hinunter, der braun und ölig in Richtung Pisa dahinschoß .
    Unter ihm schäumte und brodelte es, und der Regen prasselte auf das Wasser. Der Wachtmeister wollte an nichts denken, wollte Totòs schreckensbleiches Gesicht und die haßerfüllt blitzenden Augen von sich fernhalten. Es gelang ihm, das Gesicht abzuwehren, doch statt dessen tauchten andere deprimierende Bilder auf: Lulus halbrasierter Schädel mit dem verzerrten, starren Lächeln; ein dickliches Kind von zehn Jahren mit großen Ringen unter den Augen, das in heißen Sommernächten zu Hause Zigaretten verkauft… In diesem Alter … In diesem Alter ging er manchmal, wenn keine Schule war, mit seinem Vater zum Markt ins Dorf. Und wenn er seine Geschäfte erledigt hatte, gingen sie in die Bar auf der Piazza, in der alle anderen Männer saßen… warum fiel ihm das jetzt ein? Das war es. Fast immer kam irgendwann der Dorfpolizist herein, und die Männer zogen dann die Mützen, und manche erhoben sich sogar .
    »Guten Tag, Herr Wachtmeister. «
    Der Wachtmeister. Ein angesehener Mann. Der Priester, der Wachtmeister, der Richter, alles Respektspersonen. Und heute? Er mußte erkannt haben, zumindest unbewußt, wie sehr sich alles verändert hatte, aber das Bild des Dorfpolizisten, an dessen Namen er sich nicht einmal erinnerte, war unversehrt geblieben bis zu dem Augenblick, als Totò es mit ein paar kindlichen Worten zerstört hatte. Totò… er wollte noch nicht daran denken. Die Bäume der Cascine weiter unten, am rechten Flußufer, waren im Regen nicht zu erkennen. Irgendwo dahinter mochte noch immer Peppinas nasser Pelzmantel liegen… ein Bild folgte aufs andere, eines kläglicher als das andere, in einer elenden, verregneten Welt, als würde die ganze Stadt weinen. Die kleine schwarze Katze, die tot vor seinen Füßen landete… Carla, der jetzt schlief, dessen Kummer von Tabletten ferngehalten wurde und nur darauf wartete, wieder anzugreifen, sobald er die Augen aufschlug. War denn niemand glücklich? Sogleich dachte er an Ferrini. Er hatte Ferrini nie deprimiert gesehen. Er war noch in der bedrückendsten Situation fröhlich. Bei diesem Gedanken wandte er sich von dem braunen Wasser ab und ging über die Brücke. Kurz darauf war er in Borgo Ognissanti. Dunkelblaue Autos tasteten sich mit eingeschalteten Scheibenwischern aus der Ausfahrt, bogen nach rechts auf die Straße. Die beiden Posten hatten sich

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