Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
und Körpergewebe, während ein Blutstrahl in den Garten von Blindy House schoss und über die Büsche spritzte. Noch bevor
der Schuss verhallt war, lag Berlitz verkrümmt vor dem Gartentor, das Gesicht zum Himmel erhoben, während die Schützen sich,
noch immer geduckt, vorsichtig näherten. Hinter Sal erbrach sich der Molly Dancer in den Rinnstein, und gleichzeitig trafen
weitere bewaffnete Polizisten ein.
Einer der Scharfschützen trat zu dem Zusammengebrochenen, die Zielvorrichtung noch immer auf Berlitz’ Kopf gerichtet. Dann
kam der andere und hob vorsichtig einen Zipfel von Berlitz’ Jacke an.
Plötzlich entdeckte Sal Webley, die in einer Wachsjacke, Jeans und Stiefeln neben ihr auftauchte und die Szene musterte.
»Alles in Ordnung, Moresby?«
Sal versuchte, ruhig zu atmen. »Das war absolut unnötig. Und Sie hatten uns nicht informiert. Wir hatten uns gestern Abend
geeinigt: kein Glockenspiel.«
Der Scharfschütze öffnete den Reißverschluss von Berlitz’ Jacke, zog dessen Pistole, die alte Margolin, heraus und legte sie
auf den Bürgersteig. Inzwischen hatte sich um die Leiche so viel Blut gesammelt, dass sich die Wolken darin spiegelten.
»Wenn Sie sich recht erinnern, hatten wir uns darauf geeinigt, dass die bewaffnete Einheit für den Notfall zur Stelle ist.
Und das hier
war
ein Notfall. Die Kollegen sind sehr professionell vorgegangen.«
Sal schaute sich um.
Webley ging über die Shamblings zu einem mit Dachantennen bestückten schwarzen Range Rover.
Sal blickte wieder auf die Waffe, die neben der Hand des Toten auf dem Pflaster lag.
Fletcher sah Iwan an und entdeckte in dessen Gesicht nichts, das erahnen ließ, dass er Berlitz je gekannt hatte. Iwan sah
einfach nur auf die bewaffneten Polizisten hinunter, die inzwischen in Scharen eingetroffen waren, und blickte dann zu einem
Hubschrauber auf, der am bedrohlich zugezogenen Himmel kreiste. Auf der Hauptstraße hörte man Sirenen, und Blaulicht tanzte
über die Fassaden der Häuser.
Dann stieß Iwan plötzlich einen Schrei aus: ein wütendesAufbrüllen, das in der gewitterschwülen Luft hängen blieb. Unten beim Blindy House interessierten die Polizisten sich allmählich
für das, was auf dem Damm vor sich ging, und zeigten nach oben, kamen aber nicht näher.
Warum kommen die nicht hoch? Und wo bleibt meine Verstärkung?
Fletcher merkte, dass nicht nur er selbst sich über die Zurückhaltung der Polizei wunderte. Auch Alain schaute mit gerunzelter
Stirn zum Dorf hinunter und schien irgendeinen Gedanken im Kopf zu wälzen. Iwan sah verwirrt aus und blickte mit schiefgelegtem
Kopf in die Landschaft, als erwarte er den Feind von allen Seiten. Rauchfäden verwirbelten miteinander und wehten übers Gras.
Iwan trat durch den Qualm hindurch auf Alain zu.
Alain sah ihn an. Dann blickte er an ihm vorbei zum Dorf, wobei er im Geist etwas zu berechnen schien. Das führte offensichtlich
dazu, dass er seine Entscheidung revidierte, denn er pfiff seinen Hunden, machte kehrt und stapfte eilig auf der Seeseite
den Damm hinunter. Er kam am Schnellboot vorbei, aus dem immer noch nach Öl stinkender Qualm aufstieg. Ohne einen Blick für
die Verletzten, die dort noch am Boden lagen, ging er weiter und blieb nur ein einziges Mal stehen – um noch einen Strohhalm
aufzuheben. Dann marschierten er und seine Hunde am Seeufer entlang in Richtung der Foliengewächshäuser, die weit hinten aus
den Feldern herauslugten. Als er die Stelle erreichte, wo das Ufer dicht mit Schilf und Binsen bewachsen war, begann er zu
rennen, und die Hunde liefen ebenfalls schneller und verschwanden an seiner Seite im Uferdickicht.
Fletcher wählte Webleys Nummer, bekam aber immer noch keine Verbindung, so als wäre sein Gerät vollkommen vom Airwave-Netz
abgeschnitten. Sein Handy war ebenfalls tot. Als er sich wieder umblickte, war Iwan verschwunden.
Dann erkannte er ihn an seinem Nadelstreifenanzug undden Armeeschuhen. Iwan ging, vom eigenen Spiegelbild begleitet, das über die dunkle Wasserfläche streifte, am Ufer entlang
Alain nach. In der Wolkendecke öffnete sich eine einzige Lücke, die sich funkelnd im Fluss spiegelte und gleich wieder schloss.
Zwei Schwalben schossen über den See davon, um dem bevorstehenden Unwetter zu entgehen. Die Polizisten hielten sich noch immer
zurück und blieben unten im Dorf. Fletcher sagte sich, dass es dafür nur einen einzigen Grund geben konnte. Nämlich einen
Befehl Webleys.
Webley
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