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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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nicht zu sehen.
    Alain de Minching tauchte wieder auf, völlig ruhig, und betrachtete das Boot, während seine Hunde ihm mit gespitzten Ohren
     folgten. Er blieb stehen, hob einen Strohhalm auf und rieb ihn zwischen den Handflächen. Dann schlug er den Rückweg zum Dorf
     ein und stieg den Damm hinauf, von den Hunden gefolgt. Auf halber Höhe blickte er sich nach dem Russen um und ging dann weiter.
     Oben auf dem Dammrücken blieb er stehen und sah sich noch einmal nach Iwan um. Irgendetwas ging zwischen den beiden hin und
     her, das war selbst in dem Chaos und trotz des Qualms, der aus dem Rennboot aufstieg, nicht zu übersehen. Der Russe zeigte
     auf de Minching.
    »Er war es. Das weiß ich genau.«
    »Woher?«
    »Sein Gesichtsausdruck gerade. Er hat mich erkannt.«
    »Er hat Sie doch nie zuvor gesehen.«
    »Nein. Aber ich sehe aus wie mein Vater. Verstehen Sie? Genau wie mein Vater.« Iwan trat einen Schritt vor.
    »Stopp, Gorenski.« Iwan blieb stehen und blickte sich nach Fletcher um. Sein Gesicht war ausdruckslos. Weiter hinten stand
     Alain, in die Qualmwolke des Bootswracks gehüllt.»Wir sind hier in England. Ich habe zehn Männer im Einsatz, die gleich hier sind.«
    Das hier war ein übles Schlamassel, sagte sich Fletcher. Aber es hätte viel schlimmer kommen können.
    Er wartete auf die uniformierten Polizisten und die Polizeihunde, die jeden Moment auftauchen mussten. Iwan und Alain warteten
     ebenfalls. Sie standen vollkommen bewegungslos da, von Rauchschleiern umnebelt. Fletcher wusste, dass es richtig gelaufen
     war. Chaotisch, aber richtig, mit einem Quäntchen Glück, wie man es fast immer bei der Polizeiarbeit brauchte. Gott sei Dank
     war es vorbei. Gerade, als er das dachte, hallte ein Schuss von der Gasse her den Damm hinauf.
    Als er sich umdrehte, sah er Berlitz unten wie erstarrt vor Blindy House stehen, die leeren Hände ausgebreitet. Zwei Männer
     standen ihm geduckt gegenüber. Beide trugen wattierte Jacken und dunkle Schirmmützen und richteten eine Pistole auf ihn. Es
     war, wie Fletcher wusste, eine 9   mm Glock. Auf diese Entfernung waren die Feuerwaffen nur als dunkle Flecken in den Händen der Männer zu erkennen.
    Kein Glockenspiel.
    Fletcher war nicht besonders überrascht, dass Webley noch einen Plan in der Hinterhand gehabt hatte. Verwundert war er allerdings
     darüber, dass er nichts davon erfahren hatte.
     
    In Sal Moresbys Ohren hallte der erste Schuss wider, den der Beamte in die Luft gefeuert hatte, als Berlitz seinen Befehl,
     stehen zu bleiben, ignorierte. Sie befand sich nur wenige Meter von Berlitz entfernt vor dem Garten des Pubs. Hinter ihr stand
     einer der Molly Dancer und sah ebenfalls zu, die Gesichtsbemalung von Schweiß verschmiert.
    Die beiden Scharfschützen und Berlitz bildeten ein kleines Dreieck, dessen drei Eckpunkte vollkommen reglos verharrten. Der
     bewölkte Himmel über Blindy House zog sich mit still in der Luft hängenden, blauschwarzen Qualmwolkennoch tiefer zu – und in dieser Düsternis leuchtete der rote Lichtpunkt des Glock-Laservisiers auf Berlitz’ Brust unglaublich
     intensiv. Berlitz wusste das offensichtlich auch.
    Er blickte zum Damm, über dessen Grat die Leute inzwischen zurückströmten. Dann richtete er sich hoch auf und holte so tief
     Luft, dass sein Brustkorb sich wölbte.
    »Lassen Sie mich mit ihm reden«, rief Sal.
    Statt einer Antwort verlagerte einer der Scharfschützen sein Gewicht und schrie eine weitere Warnung, die zwischen den Häusern
     widerhallte. Sein gekrümmter Finger lag auf dem Abzug, der durch den Druck bereits automatisch entsichert war. Berlitz blickte
     zu Sal hinüber und lächelte mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann holte er noch einmal tief Luft und hob leicht die Hände, und
     der Beamte schrie wieder und warnte ihn zum letzten Mal.
    Als Berlitz den ersten Ton sang, war der Klang so gewaltig, dass er zwischen den Gebäuden hindurch über die Shamblings zog
     und Sekunden anhielt, während der Ruf des Scharfschützen sofort verhallt war. Berlitz hielt inne, lächelte wieder und blickte
     zu den Wolken auf. Der eine Schütze sah den anderen verwirrt an. Dann legte Berlitz die Hand über dem Herzen auf die Brust,
     weil von dort der Gesang kam.
    Sal hatte nie zuvor gesehen, wie jemand erschossen wurde. Am meisten schockierte es sie, dass die Kugeln im Körper des Getroffenen
     nicht Halt machten – sie durchschlugen ihn und drangen hinten wieder heraus. Noch anderes drang hinten heraus: Fetzen von
     Stoff

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