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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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machten
     – und schließlich seine brennendste Sorge, die Kriminalität.
    »Sie haben doch da unten im Westen diese gelben Wohnblocks gesehen, die man die Wittris-Zähne nennt? Die Jungs aus Wittris,
     die haben mir das Leben zur Hölle gemacht. Dieses Diebsgesindel ist immer wieder mit geklauten Geländewagen über die Felder
     hierhergekommen und hat in den Scheunen und manchmal auch im Haus alles mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest war.
     Sie haben hier alles kaputtgemacht. Sie dachten, ich hätte Geld versteckt, was nicht stimmt. Sie nennen mich einen verdammten
     Normannen, dabei bin ich das gar nicht. Sie nennen jeden einen Normannen, auf den sie neidisch sind.«
    »Hat die Polizei hier Ihnen helfen können?«
    Charter lachte. »Darum bin ich ja so überrascht,
Sie
hier zu sehen. Ich rufe dort an und lande in der Warteschleife. Oder es sind gerade keine Beamten verfügbar. Oder es dauert
     Stunden, bis sie hier eintreffen. Dieses Jahr war es noch schlimmer als sonst. Ich dachte, ich werd noch verrückt. Genau das
     wollen sie, diese Jungs aus Wittris. Einen völlig kaputtmachen. Doch dann hatte ich plötzlich Glück. Eines Nachmittags kam
     ich mit dem Land Rover nach Hause, und was fand ich da vor? Drei von den Typen aus Wittris, die kopfüber von den Giebelbalken
     runterhingen. Sie drehten sich um die eigene Achse und kotzten sich die Seele aus dem Leib.«
    »Wer hat das getan?«, fragte Fletcher, obgleich er die Antwort schon wusste.
    »Zwei Russen. Sie schnitten die Wittris-Burschen erst runter, als einer von ihnen das Bewusstsein verlor. Schickten sie mit
     einem Arschtritt nach Hause. Das muss sich rumgesprochen haben. Seitdem hatte ich keinen Ärger mehr.«
    Fletcher ordnete die Kette der Ereignisse im Kopf neu. Olga hatte Tevershams Kassettenaufnahme gehört und den Namen Peter
     Charter an Iwan weitergegeben – und Iwan war hier aufgetaucht, hatte dafür gesorgt, dass er mit offenen Armen empfangen wurde,
     und sich hier häuslich niedergelassen. Warum?Warum ausgerechnet hier, bei einem der ehemaligen Mitglieder dieses harmlosen Dorfvereins
The Wake
?
    »Die Russen beschützen Sie also vor den Typen aus Wittris. Und was ist Ihre Gegenleistung?«
    Charter war stolz auf die Abmachung.
    »Sie wohnen oben und können die Küche benutzen. Sie sagen mir, was sie essen wollen, und ich kaufe es ein. Sie sollten mal
     die Suppe probieren, die sie kochen, die ist wirklich köstlich.« Er sah Sal an. »Es ist schön, wieder ein bisschen Leben im
     Haus zu haben.«
    Sal nickte. »Am besten schauen wir uns jetzt an, wo die beiden schlafen.«
     
    Charter zeigte ihnen die Zimmer der Russen, die früher offensichtlich als Kinderzimmer gedient hatten. Im einen war eine abblätternde
     Tapete mit Rennautos, im anderen eine mit Barbies. Charter versuchte, die abgelöste Tapete wieder anzudrücken.
    Davon abgesehen erinnerte in den Zimmern überhaupt nichts an Kinder. Sie wirkten eher wie Kasernenräume: absolut ordentlich,
     der Linoleumboden sauber gewischt. In jedem Zimmer stand ein Bett, dessen Decken exakt gefaltet am Fußende lagen. Ein Matchbeutel
     mit Rasierzeug und persönlichen Habseligkeiten, Schokolade, Zigaretten und Schuhputzzeug lag jeweils zuoberst.
    In dem Beutel, der nach Fletchers Vermutung Berlitz gehörte, fand sich außerdem ein alter Fremdsprachenführer, in dem einige
     Sätze unterstrichen waren:
    BEIM OBST- UND GEMÜSEHÄNDLER:
    Ich möchte bitte Zwiebeln/Möhren/einen Kohlkopf/Kartoffeln.
    GESELLIGKEIT:
    Würden Sie gern mit mir zu Abend essen? Ich kenne ein ruhiges Lokal/ein nettes Lokal/ein interessantes Lokal.
    Im anderen Matchsack lag eine alte englische Ausgabe von Dostojewskis
Schuld und Sühne,
die etwa in der Mitte von allein aufklappte. Auch hier waren einige Zeilen unterstrichen.
Jeder Mensch hat das Recht, gesetzliche Grenzen zu überschreiten, wenn die Vollendung seiner Lebensaufgabe (die vielleicht
     der ganzen Menschheit nutzen kann) es erfordert.
Fletcher fand noch ein Foto in einer Plastikhülle: eine vor einem Wohnblock stehende Frau. Der Himmel war blau mit einigen
     weißen Wölkchen, und darunter sah man Rauchfahnen, vielleicht von einer nahe gelegenen Fabrik. Fletcher legte das Foto zurück
     und blickte sich um.
    Das Zimmer zeugte von einer fast mönchischen Disziplin – und abgesehen von drei Zeilen Dostojewski gab es keinerlei Hinweis
     auf irgendwelche kriminellen Absichten.
     
    »Die beiden betreiben ja praktisch einen Sicherheitsdienst«, erklärte

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