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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Aber andererseits«, sie hielt vor einem Viehrost, »dauert es eine Weile, bis Neuigkeiten
     zu einem Ort wie diesem hier gelangen.«
    Neben dem Viehrost hing an einem Stacheldrahtzaun ein Schild: CHARTER FARM.   PRIVATGELÄNDE.   ZUTRITT VERBOTEN.   ZUWIDERHANDLUNG WIRD VERFOLGT.
    Eine Friesische Kuh mit mächtigem Euter drehte sich nach ihnen um und sah zu, wie der Wagen über den Rost auf eine Zufahrt
     rollte, deren zahllose Schlaglöcher mit Ziegelbruch ausgebessert waren. Die Straße stieg leicht an, und der Wagen holperte
     unter Zedern hindurch, von denen ein aufgestörter Krähenschwarm emporstieg. Dann entdeckte Fletcher am Ende des Weges das
     Farmhaus.
    Es war ein großer Kasten mit Kiesputzwänden und drei Schornsteinen. Die eine Giebelwand war mit Balken abgestützt, und hinter
     einer ungepflegten Hecke sah man einen Hof voller alter Geräte und Landmaschinen. Fletcher blickte sich um und stellte fest,
     dass man von hier einen gewissen Ausblick über das Land hatte: Die gelben Hochhausblöcke mit dem Spitznamen »Wittris-Zähne«
     zeichneten sich in derFerne vor dem westlichen Horizont ab. Der Wagen pflügte durch eine Schlammpfütze und rollte auf den Hof, zwischen zwei alten
     Traktoren mit hoch erhobenen Schaufeln hindurch.
    Vielleicht hatte Peter Charter wirklich Angst: Fletcher fiel der zwischen den Traktorschaufeln gespannte Nato-Draht auf, und
     in der Hecke steckten hier und da spitze Pfähle im Boden.
    Der Wagen durchquerte den matschigen Hof, zwischen Schrott und ausrangierten Landmaschinen hindurch. Eine Fliegenwolke stieg
     auf und senkte sich wieder herab, als Sal den Motor abstellte. In der Stille hörte man nur das Krächzen der Krähen.
    Hinter dem Haus standen zwei rostige Wellblechschuppen, die Türen mit Balken von außen versperrt, und in einiger Entfernung
     ein stockfleckiger Wohnwagen.
    Die Scheiben in der Haustür des Farmhauses waren bis auf eine durch Sperrholz ersetzt, die verbliebene Scheibe gesprungen.
     Als Fletcher klopfte, tauchte dahinter das Gesicht eines Mannes auf. Er betrachtete den gegen das Glas gehaltenen Polizeiausweis.
     Dann wurden die Riegel geöffnet und eine Sicherheitskette ausgehängt.
    Später kehrte Fletcher in Gedanken an diesen Punkt zurück und stellte sich vor, was er hätte anders machen können. Er hätte
     nicht höflich mit Sal im Eingang stehen und die Befragung einleiten sollen. Nein, am besten hätten sie Peter Charter sofort
     nach draußen gezerrt und seine Farm bis auf die Grundfesten niedergebrannt.
     
    Iwan saß im Treppenhaus des Wohnblocks dicht neben den Heißwasserrohren. Das Ächzen der Rohre vermischte sich mit den anderen
     Geräuschen: zuschlagende Türen, Toilettenspülungen, Gelächter und der alte Viktor, der unten ein Soldatenlied sang. Auch Gerüche
     wehten durchs Treppenhaus nach
oben: Krautwickel, Soljanka, Zigarettenrauch, Abwassergestank und der Mief von Wäsche, die zu langsam trocknet.
    Am Treppengeländer hatte Familie Michalkow in der Kälte ein paar Räucherheringe aufgehängt und den Draht mit einem Gehänge
     aus Blechbüchsen gesichert, die klappern sollten, falls ein Nachbar in Versuchung käme.
    Iwan sah, wie jemand den Treppenabsatz unter ihm betrat und zu ihm heraufblickte. Die violetten Augen leuchteten im elektrischen
     Licht und waren nicht halb geschlossen wie damals im Sommer, als das Mädchen von der glitzernden Wasserfläche geblendet war.
    Sie kam hoch und setzte sich zwischen den Heringen und den Wasserrohren neben ihn auf die Treppe. Ihr dicker Wollmantel roch
     nach Mottenpulver. Sie wirkte viel älter als dreizehn. Er fühlte sich viel jünger als elf.
    »Iwan Gorenski. Hast du von deinem Vater gehört?«
    »Er hat sehr viel zu tun. Er hat keine Zeit, anzurufen.«
    Sie nickte.
    Wie alle anderen wusste sie über die Lage Bescheid. Iwans Vater war ein hochqualifizierter Ingenieur, der am Ende jedes Tages
     hätte Bericht erstatten müssen. Das Schweigen aus Großbritannien hallte im Niva-Werk und schließlich im ganzen Wohnblock wider.
     Sie blickte die Treppe hinunter.
    »Ich besuche meinen Onkel Viktor. Ich kann nicht lange bleiben.«
    Er wusste, dass sie derzeit sehr viel zu tun hatte: Ein Olympiatrainer hatte sie entdeckt und sie würde in eine spezielle
     Trainingseinrichtung für junge sowjetische Turnerinnen kommen. Es hieß, dass der Trainer ihr jetzt schon Medikamente verabreichte,
     damit sie langsamer wuchs und zehn Stunden täglich trainieren konnte.
    Als sie auf der Treppe saß,

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