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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Wake
zu fragen?«
    »Weil er die Kassette kennt. Er weiß, dass Charter im Verein im Grunde ein Niemand war.«
    Fletcher nickte. »Und warum wohnt er dann überhaupt bei ihm? Das ergibt doch keinen Sinn. Es ist, als wollte er noch irgendetwas
     anderes von Charter, wovon der gar nichts weiß.«
    Sal ließ den Motor wieder an, fuhr vorsichtig über den Viehrost und hielt ein zweites Mal an.
    »Charter hat vorhin gezögert, nicht wahr?«, bemerkte sie. »Als du ihn fragtest, ob er die Leute nur zu den Dorffesten gefahren
     hat.«
    »Ja, da war irgendwas. Wer weiß, wo er Breakman und Denton sonst noch hinchauffiert hat. Fahren wir jetzt zu Thomas Denton.«
    »Ich bin ja nur so ein Niemand, stimmt’s? Bloß die Fahrerin.« Einen Moment lang war er bestürzt, doch dann sah er, dass sie
     lachte.
     
    Im Wäldchen hinter der Farm setzte Iwan das Fernglas ab, und die Farnwedel schnellten vor seinem Gesicht wieder nach oben.
     Allmählich fand er Gefallen an dem scharfsüßen Geruch des englischen Farns.
    In Tschetschenien hatte er einmal einen ganzen Tag und eine ganze Nacht so im Gestrüpp gelegen und einer Patrouille im Tal
     Feuerschutz gegeben. Die Farne dort hatten an der Unterseite der Wedel kleine Häkchen und rochen wie Hundeatem. Als er aufstand,
     hatten sich die Wedel an seinen Beinen festgeklammert und waren mit ihm nach oben gewandert.
    Bei seiner Ankunft in England hätte er niemals erwartet, hier nach all diesen Jahren noch einen der Niva-Traktoren zu finden.
     Sie hatten die vor sich hin rostende Zugmaschine in der Nähe von Cottenham auf einem Feld stehen sehen und sie vor dem flachen,
     endlosen Horizont sofort an der Silhouette erkannt. Bei der ersten Berührung hatte es ihn wie ein Stromstoß durchzuckt und
     plötzlich war die alte Zeit wieder da gewesen. Er hatte sich an die Umarmung des Pioniermädchens in der Halle der sowjetischen
     Errungenschaften erinnert und daran, wie er mit Berlitz auf dem Betondamm des Staubeckens gelegen und den Traktoren nachgesehen
     hatte, die auf Schienen in die Ferne rollten.
    Sein Traum war, den Traktor wieder in Gang zu bringen. Das würde nun eine Weile warten müssen, doch solange die Polizisten
     sich nicht an dem Fahrzeug vergriffen, konnte er damit leben. Es war sogar gut, dass sie den Traktor gefunden hatten, denn
     das brachte sie ihm näher. So würden sie ihn besser verstehen. Er wollte, dass sie ihn verstanden.
    Er fragte sich manchmal, was wohl aus seinem Pioniermädchen geworden war. Was ihrer besten Freundin zugestoßen war, wusste
     er genau.
    Man hatte sie bis zum Gehtnichtmehr gedopt und zur Spitzenturnerin gemacht, ein Vorbild für die sowjetische Jugend mit allem
     Drum und Dran, einschließlich der Fotos in der
Prawda
. Sie war bis zu den Ostblockmeisterschaften von 1982 gekommen und dann im Bad eines Warschauer Hotelzimmers gestorben, das
     sie mit ihrem vierzigjährigen Trainer geteilt hatte. Die offizielle Todesursache war Herzversagen. Sie war sechzehn.
    Nach jahrelanger Suche fand Iwan 1999 einen Warschauer Polizisten, der schwor, das Mädchen sei mit einem Lampenkabel erdrosselt
     worden, er habe die Leiche selbst gesehen. Der Trainer hatte seinen Namen geändert und versucht, seine Spuren zu verwischen,
     doch Iwan fand schließlich auch ihn inder Ukraine, wo er in einer Datscha wohnte und von seiner Rente lebte. Iwan unterhielt sich lange mit ihm über die alten Zeiten.
     Der Trainer gestand, dass er mit dem Alter immer klaustrophobischer werde und nachts Albträume habe. Iwan nickte langsam und
     griff zum Telefonhörer.
    Er ließ den Trainer in den Keller der Datscha sperren, das Haus über seinem Kopf plattwalzen und schließlich die Trümmer mit
     Beton ausgießen. Eine Woche lang ging Iwan jeden Tag dorthin, stellte sich auf die vollkommen ebene Betonfläche und dachte
     über die alten Zeiten nach, darüber, wie sich das damals, auf der Treppe des Niva-Wohnblocks, angefühlt hatte, die Wange des
     Mädchens an seinem Haar.
    Der Beton war beim Trocknen rissig geworden. Von unten drangen Schreie und Klopfen herauf, doch am vierten Tag wurde es still.
    Und jetzt lag Iwan im Farn und sah zu, wie das Zivilfahrzeug der Polizisten über die Landstraße davonfuhr.
    Meine lieben, klugen Polizisten. Ihr habt es am richtigen Ende angefangen, nämlich bei dem Typ, der nichts zu sagen hatte.
     Jetzt arbeitet ihr die Liste ab und nehmt euch das nächste Mitglied von
The Wake
vor
.
Euer Problem ist nur, dass ich ebenfalls alles über diesen Mann

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