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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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öffnete sie ihren Mantel. Darunter trug sie eine dicke Filzjacke, die sie ebenfalls aufknöpfte.
     Zitternd umschlang sie ihn mit den Armen.
    Da begriff er zum ersten Mal die Macht der Frau über den Mann. Eine Anziehung, so unwiderstehlich wie die Schwerkraft, und
     sie erschreckte ihn zutiefst. Er schloss die Augen. Er spürte, wie sie ihm übers Haar strich, während Onkel Viktor das Lied
     der sowjetischen Raketenbataillone sang. Sie schmiegte das Gesicht an seinen Kopf und legte die Arme um ihn, sorgfältig darauf
     bedacht, nicht gegen die Blechbüchsen zu stoßen.
     
    Von der Küche des Farmhauses blickte man auf eine rostige Doppelschaukel hinaus, die im Wind quietschte. In der Küche selbst
     waren noch die Überreste eines einstmals existenten Familienlebens zu besichtigen: eine Korktafel mit vergilbten Familienfotos
     und bunte Striche am Türpfosten, die das Wachstum der Kinder markiert hatten. Die Jahre hatten eine schmuddelige Fettschicht
     nach der anderen darübergebreitet, und überall lag der Plunder eines allein lebenden Mannes herum.
    Der Mann war in den Fünfzigern und sein Overall hatte die gleiche schmutziggraue Farbe wie der Dreck auf dem Hof.
    Fletcher hatte schon oft mit Männern wie diesem hier zu tun gehabt. Er hatte sie festgenommen, weil sie ihren Verwandten nachstellten
     oder ihre Freunde verprügelten, aus einem Groll heraus, der so verwickelt war, dass selbst sie den Anlass vergessen hatten.
     Andere Männer dieses Schlages hatte Fletcher in ähnlichen Farmhäusern gefunden – sie hingen von der Decke oder lagen ausgestreckt
     auf dem Boden, nachdem sie sich das Gehirn und alles, was ihnen an Zielen und Wünschen blieb, mit einem Gewehr aus dem Kopf
     gepustet hatten. Diese Männer waren die letzten der kleinen Farmer, und sie starben im wahrsten Sinne des Wortes aus. Es war
     nicht die Armut, die sie umbrachte, nicht Brüssel und nicht die Supermärkte. Sondern die Vereinsamung. In den schlimmsten
     Fällen war ihre Stimme leise und kindisch geworden – weil sie so selten sprachen.
    Der Mann bot den Besuchern das Beste an, was er hatte: zwei Becher mit Tee und Jaffa Cakes direkt aus der Packung, die er
     neben das Sammelsurium von Maschinenschrott und Ersatzteilen auf den Tisch legte. Er sah Sal ein paar Sekunden zu lang an.
     Fletcher fragte sich, wann wohl zum letzten Mal eine Frau dieses Haus betreten hatte.
    »Wohnen Sie schon Ihr ganzes Leben hier, Mr Charter?«, fragte Sal.
    Charter lächelte. »Ich bin in diesem Haus zur Welt gekommen. Wie viele Menschen können das schon von sich behaupten? In meiner
     Kindheit war es hier wie im Paradies. Ich dachte, meine eigenen Kinder würden auch hier bleiben. Aber jetzt lebt die Tochter
     in Quebec und der Sohn ist in Malaga.« Er zeigte auf zwei Fotos auf dem Korkbrett: zwei Kinder mit Wuschelschöpfen draußen
     auf der Schaukel. »Sie erforscht Fische und er ist Tänzer.«
    »Mr Charter«, fragte Fletcher, »wissen Sie, dass in Thinbeach und Umgebung kürzlich zwei Männer verstorben sind? Sie heißen
     Skerrit und Teversham.«
    »Nein. Was sind das für Leute?«
    »Sie haben beide für Breakman Machinery gearbeitet.«
    »Breakman? Das hätten Sie gleich sagen sollen. Bei Breakman würde ich jederzeit kaufen.«
    »Haben Sie kürzlich etwas bei ihm gekauft?«
    »1986.«
    »Aha. Würde die Tatsache Sie überraschen, dass diese beiden Männer sich für Sie interessierten?«
    »Für mich? Warum denn?«
    »Haben Sie jemals den Namen
The Wake
gehört?«
    Peter Charter brach einen Jaffa Cake in der Mitte durch und betrachtete die Orangengeleefüllung. Die alte Schaukel im Hof
     quietschte im Wind und verstummte. Fletcher wartete ab. Charter schob die Keksschachtel mit fragend hochgezogenen Augenbrauen
     zu ihm hin. Fletcher ging nicht darauf ein.Charter wich seinem Blick nicht aus, und statt der Nervosität, die Fletcher erwartet hatte, verzog sich das zerfurchte Gesicht
     zu einem Grinsen.
    »
The Wake
? Du lieber Gott,
The Wake

    »Was bedeutet das?«, fragte Sal.
    Charter warf den Kopf in den Nacken und lachte, was in etwa so klang wie das Lärmen der Krähen in den Zedern. In seinen entzündeten
     Augen schwammen Tränen.
    »Was ist denn so komisch, Mr Charter?«
    »
Ihr
seid komisch, ihr von der Polizei. Seit Jahren habe ich hier nichts als Ärger, Hausfriedensbruch, Einbrüche, Vandalismus.
     Wie oft habe ich bei euch angerufen? Und habe ich jemals Hilfe erhalten?« Er hörte auf zu lachen und warf seinen Jaffa Cake
     in die

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