Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
Wittris?«
»In demselben netten Ort, in dem Ron Teversham bis zu seiner Entlassung als Constable Dienst tat. Er wird wohl auch 1978 dort
gewesen sein.«
Ein paar Krähen stiegen krächzend von den Zedern auf und ganz in der Nähe zirpte eine Heuschrecke los. Dann ging über ihnen
ein Verkehrsflugzeug mit heulenden Triebwerken in die Kurve.
»Das heißt, dass die
Lovely Brigade
etwa zur selben Zeit ihre Umtriebe eingestellt hat, als Iwans Vater im Fluss ertrank.Das ist interessant. Diese Jungs müssten inzwischen um die vierzig sein. Falls sie nicht einsitzen, sind sie ja vielleicht
noch hier in der Gegend.«
Sal legte die Unterlagen zusammen und schlug die Heckklappe krachend zu.
»Ja, sie dürften immer noch hier sein. Sie sind nämlich tot.«
»Tot?«
»Weißt du, wieso die Verbrechenswelle in den Fens Ende des Jahres 1978 so plötzlich endete? Weil die
Lovely Brigade
unvorsichtig wurde. Willst du dir anschauen, was passiert ist?«
»Ja, aber im Auto, wenn die Klimaanlage läuft.«
Alle, die von Amts wegen zu dem Erhängten geeilt waren, rumpelten nun in ihren Fahrzeugen über den Viehrost zurück und bogen
auf die Landstraße ein. Dort lag schon eine flimmernde Luftschicht über dem Asphalt und die Temperaturanzeige von Sals Wagen
zeigte eine Außentemperatur von zweiunddreißig Grad an.
Im kühlen Luftstrom der Klimaanlage reichte Sal Fletcher die alten Berichte des Coroners, des Beamten, der sich mit ungeklärten
Todesfällen befasst. Sie hatte einiges an Überredungskunst aufwenden müssen, um sich die Unterlagen so schnell zu verschaffen.
Wie die alten Polizeiakten waren auch diese Berichte inzwischen auf Mikrofilm archiviert, und sie hatte den Verantwortlichen
im Bezirksarchiv ziemlich bezirzen müssen, damit er sie so schnell einscannte und ihr dann per E-Mail zuschickte. Fletcher sagte gar nichts dazu, und daran merkte sie, dass er beeindruckt war.
Sie warf ihm einen Seitenblick zu und war sicher, dass er gerade seinerseits sie angeblickt hatte. Vielleicht hatte er den
Effekt beobachtet, den der kühle Luftstrom der Klimaanlage auf sie hatte. Jetzt hatte er den Blick auf die Dokumente geheftet
und las die jeweils eine Seite umfassende Zusammenfassung jedes Todesfalls.
Terry Swilter fand am 30. November 1978 den Tod. Swilter hatte mehrere Vorstrafen wegen Einbruch, Hausfriedensbruch und Körperverletzung, hatte aber
mit der Zeit gelernt, sich Alibis zu verschaffen. Verbrechensopfer berichteten häufig von einem Mann seiner Statur, doch der
Angreifer war immer mit Gesichtsmaske und Handschuhen vermummt gewesen, und so hatte man Swilter niemals eines der Verbrechen
der
Lovely Brigade
nachweisen können. In der Nacht des 30. November war er auf das Dach der Stallungen eines Herrenhauses im Grenzgebiet der Grafschaften Cambridgeshire und Suffolk
geklettert. Es war allgemein bekannt, dass es in dem Haus eine schöne Silbersammlung gab, die Terry wohl angelockt haben musste.
Er wusste allerdings nicht, dass sich hinter den Stallungen eine kleine elektrische Umspannstation befand, wo zwei Hochspannungsleitungen
zu einem Transformator führten. Terry Swilter fiel vom Dach, landete auf den Leitungen und löste einen Kurzschluss aus, von
dem in drei umliegenden Dörfern die Lichter ausgingen.
Die Schwarzweißaufnahme des tödlich Verunglückten zeigte, was von ihm übrig geblieben war: eine verkohlte Leiche mit verbrannten
Kleidern und schwarzer, in Fetzen herabhängender Haut, Finger wie schwarze Äste, sie schienen ins Leere zu greifen, als kämpfe
der Tote noch immer verzweifelt um sein Gleichgewicht.
Sein Freund Shane »Flame« Gaffy hatte die Schule mit fünfzehn geschmissen und eine Karriere als Autodieb begonnen. Er hatte
den Spitznamen »Flame«, weil er die Wagen, deren Reifen er auf den holprigen Straßen der Fens zuschanden gefahren hatte, danach
mit Vorliebe wieder ihren Besitzern vor die Haustür stellte und sie dort abfackelte. Eine Woche nach Terry Swilters Ableben
stahl er einen Jaguar, der vor einem Wochenendcottage in der Nähe von Ely stand, und steckte ihn in einem Drainage-Kanal in
Brand. Doch diesmal vermasselte er es. Die Stichflamme aus dem Benzintank erwischteihn im Gesicht, und er wurde zwar lebend aufgefunden, doch mit so schlimmen Verbrennungen der Haut und der Lunge, dass er
das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangte und bald darauf im Addenbrooke’s Hospital starb. Auf der Aufnahme des Polizeifotografen
war nur die
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