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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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geschrien, jemand würde versuchen, in ihre Wohnung einzubrechen. Ich habe versucht, vernünftig mit ihr zu reden, aber die anderen, die noch da waren, haben sie angestachelt, wie immer, wenn sie so angefangen hat. Einer von den Männern hat ihr sogar Ihre Nummer herausgesucht. Tja, was danach geschehen ist, wissen Sie ja. Wer immer am Telefon war, hat ihr erklärt, sie soll in der Kommandantur anrufen. Ich habe gesagt, daß ich das für sie erledige, und ihr den Hörer aus der Hand genommen. Sie hat nicht gemerkt, daß ich nicht angerufen habe, weil sie an der Tür stand und demjenigen, den sie draußen vermutete, zugeschrien hat, er solle sich verpissen und sie in Ruhe lassen. Sie hat geflucht, was das Zeug hielt, aber es war harmlos, es war einfach ihre Art. «
    »Hm. «
    »Ich konnte sie nur mit Mühe dazu überreden, wieder nach Hause zu gehen, weil sie überzeugt war, daß Sie bald kommen würden. Am Ende habe ich ihr versprochen, auf Sie zu warten, und bin mit ihr in ihre Wohnung hinaufgegangen. Ich habe mich überall gründlich umgeschaut, um sie davon zu überzeugen, daß niemand da ist, und als ich dann gegangen bin, hatte sie sich beruhigt. Es tut mir leid, was passiert ist, aber selbst jetzt wüßte ich nicht, was ich sonst noch hätte tun können. Wenn jemand so verrückt ist wie Clementina, weiß man nie, wann ausnahmsweise wirklich etwas schiefläuft. Woher hätte ich wissen sollen, daß etwas vorgefallen war, was ihr wirklich Angst eingejagt hatte? Bestimmt war sie völlig durcheinander, und ich habe sie nur für betrunken gehalten. Sehr wahrscheinlich war sie beides. Verstehen Sie das? «
    »Das verstehe ich. «
    »Franco! «
    Einer der Kartenspieler streckte den Kopf zur Tür herein und zog fragend die Augenbrauen hoch .
    Franco rührte sich nicht von seinem Stuhl, sondern hob nur einen dicken Finger und signalisierte damit kaum wahrnehmbar ein Nein. Der Mann in der Tür verschwand. Der Maresciallo registrierte Frage wie Antwort, hielt es aber für klüger, sich blind zu stellen. Wenn er es sich mit Franco verdarb, würde er diesem Verbrechen nie auf die Spur kommen. Er bemerkte Francos Seitenblick, der dazu diente festzustellen, ob sein Gegenüber etwas gemerkt hatte, aber der Maresciallo trank nur einen Schluck Wein und schaute mit ausdruckslosem Gesicht durch die offene Tür in die Nacht hinaus. Am Tisch der Kartenspieler wurden die Stimmen lauter, eine kurze, freundschaftliche Auseinandersetzung. Aus einem Fenster hoch oben rief eine Frauenstimme herunter: »Ich gehe jetzt ins Bett … «
    Der Film im Fernsehen ging, der Musik nach zu schließen, dem Ende zu. Das Leben auf der Piazza war zu dem normalen Rhythmus einer Sommernacht zurückgekehrt, und man konnte sich nur schwer vorstellen, daß sich hier etwas Dramatisches ereignet hatte, daß jemand von außen in diese in sich geschlossene kleine Welt hatte eindringen und ihr Gewalt antun können. Das hier war eine Welt, in der sich kleine, vertraute Tragödien abspielten; die Sirene des Krankenwagens, wenn jemandes Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte, täglich der mühsame Weg ins Krankenhaus, bis alles vorbei war. Im schlimmsten Fall eine untröstliche Mutter, deren Sohn bei irgendeiner Gaunerei erwischt worden war. Selbst Clementinas Verrücktheit gehörte für die Menschen hier ganz selbstverständlich zum Alltag. Sie kochten Suppe für sie, hänselten sie, schnauzten sie an, wenn sie zu weit ging. In all den Jahren, die der Maresciallo in Florenz war, war er noch nie gerufen worden, um hier einzugreifen. Diese Leute schlichteten ihre Differenzen selbst, oder Franco tat es für sie. So war das immer gewesen, und so würde es auch bleiben. Der Mord an Clementina fiel absolut aus dem Rahmen. Er mußte von einem Außenseiter begangen worden sein, und wer immer das war, war so schlau und instinktsicher gewesen, sich passend zu diesem Stadtbezirk für den Gasherd zu entscheiden, auch wenn er nicht effektiv genug vorgegangen war, um das Ganze überzeugend aussehen zu lassen. Vielleicht war ihm das nicht so wichtig gewesen, oder er hatte angenommen, daß es sonst niemand sonderlich wichtig finden würde. Eine verrückte alte Frau, arm und harmlos, die kein Mensch vermissen würde .
    »In gewisser Weise wird sie mir fehlen«, sagte Franco, der wie der Maresciallo in die Nacht hinausstarrte, »obwohl sie einem manchmal auf die Nerven gehen konnte. Aber sie hat einfach dazugehört, wissen Sie? Ich warte dauernd darauf, daß sie da draußen mit

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