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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Kopf des Maresciallo fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Wütend knallte er den Hörer auf die Gabel, ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken und fuhr mit dem Finger unter seinem feuchten Hemdkragen entlang. Natürlich ging niemand ans Telefon. Hatte man je von einem Büro gehört, das im August besetzt war? Er schloß die Augen und versuchte, langsam durchzuatmen, aber sein Herz schlug zu schnell, und sein Atem wollte offenbar unbedingt damit Schritt halten. Er hatte es geschafft. Er hatte die Fassung verloren. Sofern er noch einen Funken Verstand besaß, würde er einfach mit seiner Routinearbeit weitermachen und den Fall Clementina bis September ruhen lassen, wenn man wieder anständig arbeiten konnte, weil die Welt wieder funktionierte. In dem Fall freilich würde der Staatsanwalt aus dem Nichts auftauchen und anfangen, ihn zu schikanieren. Er ging ans Fenster, machte es zu und schaltete den Ventilator ein. Dann schaltete er ihn wieder aus und holte sein Jackett, das hinter der Tür hing. Auf seiner Liste stand noch eine letzte mögliche Anlaufstelle, und wenn der Tag so verlief, wie es aussah, konnte er ebensogut blind drauflostappen. Warum sollte er die quälende Ungewißheit noch zwei oder drei Tage hinauszögern? Er steckte den Kopf in den Wachraum, bevor er ging. Bruno hielt die Stellung .
    »Ein Wok, du ungebildeter Kerl, ist eine ganz spezielle Pfanne mit hohem, schrägem Rand … «
    »Schon gut, schon gut, aber wir haben keinen«, sagte Di Nuccio und rammte einen Stecker ins Schaltbrett .
    »Stimmt, aber sobald die Geschäfte aufmachen, besorge ich einen. «
    »Ich bin unterwegs«, unterbrach sie der Maresciallo und schloß die Tür .
    Unten am Eingang blinzelte er vor Schmerz, als das Licht seine empfindlichen Augen traf, und zog seine Sonnenbrille aus der Brusttasche. Im abschüssigen Hof vor dem Palazzo Pitti standen nur vereinzelte Autos, so daß die Touristen in ihrer neuen, bunten Sommergarderobe ungehindert umherschlendern konnten. Jemand hatte ein Eis fallen lassen, das um die durchweichte Waffel zu einer glitschigen braun-rosa Pfütze zerlaufen war. Er ging langsam hinunter und überquerte die Straße, um eine Abkürzung durch eine schattige Gasse zu nehmen. Die Straßen rochen nach Schweiß, und die großen ockerfarbenen Steine der hohen Gebäude glänzten vor Hitze. Er überquerte die Piazza Santo Spirito, die ohne die gewohnten Marktstände deprimierend wirkte. Nur ein einziger Bauer aus der Umgebung verkaufte auf einem kleinen Tisch welkes Gemüse. Eine alte Frau fingerte brummend daran herum .
    Erfreulicherweise war Francos Bar geöffnet. Der Metzger und der Gemüsehändler machten erst morgen wieder auf. Der Maresciallo trat unter das Gerüst vor Clementinas Haus und drückte die Klingel im ersten Stock. Ein paar Schweißtropfen rannen zwischen seinen Schulterblättern langsam nach unten, bis sie den Gürtel erreichten. Auf dem Nasenrücken unter der Sonnenbrille bildeten sich Schweißperlen. Er tupfte sie mit seinem Taschentuch ab, schob die Brille wieder an ihren Platz, drückte nochmals auf die Klingel und trat ein Stück zurück .
    »Die sind nicht da«, sagte eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um. Pippos Frau, Maria Pia, hatte sich aus dem Fenster gebeugt und schlenkerte ein tropfnasses weißes Hemd. »Ich glaube, sie sind zu ihrer Mutter gefahren. «
    »Ach ja? Und wo ist das? «
    »Arezzo. «
    »Arezzo …« Wenn sie so weit gefahren waren, blieben sie sicher den ganzen Tag aus. Ja natürlich, als er den beiden gesagt hatte, er würde wiederkommen, hatte der junge Mann gemeint: »Wenn es morgen ginge, wäre ich Ihnen dankbar. «
    Aber sicher! Da wären sie nicht da! Das hätte er sich eigentlich denken können, so wie heute alles lief .
    »Sie wissen nicht zufällig, wann sie zurückkommen?« rief er hinauf .
    Pippos Frau hatte das Hemd mit Wäscheklammern an der Leine unter dem Fenster befestigt und beförderte es quietschend über die Rolle weiter, damit das nächste Platz hatte .
    »Nein …«, sagte sie achselzuckend. Von einem zweiten Hemd rieselte ein kühler Tröpfchenschauer auf das emporgewandte Gesicht des Maresciallo. »O je … passen Sie auf! «
    »Einen schönen Tag noch«, sagte der Maresciallo und wandte sich zum Gehen .
    »Wiedersehen«, sagte sie und rief ihm dann nach: »Vielleicht weiß Franco was! «
    Vielleicht. Aber wenn sie nicht da waren, waren sie nicht da. Außerdem hatten die paar kühlen Tropfen den Maresciallo daran erinnert, daß er

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