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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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in anderer Leute »kleine Probleme« hineingezogen zu werden, wie der Staatsanwalt es formuliert hatte. Die heruntergekommene Anstalt, der Zwangsräumungsbefehl der Rossis und jetzt das. Das Tränenreservoir der jungen Frau war unerschöpflich. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Achtlos warf sie den Rock wieder in den Pappkarton .
    »Wissen Sie, was ich hätte tun sollen? Dafür sorgen, daß der blaue Knopf am Bund durch einen etwas dunkleren ersetzt wird. Und? Ich konnte niemanden auftreiben, der das vor September gemacht hätte, und die Ware sollte bis zwanzigsten August geliefert werden – außerdem mußten noch unsere Etiketten eingenäht werden. Er hat mir so oft gesagt, ich soll mich ranhalten und Initiative zeigen, daß ich die Etiketten habe annähen lassen und die Sachen einfach losgeschickt habe. Auf der Bestellung war nicht ausdrücklich vermerkt, daß die Knöpfe einen bestimmten Blauton haben müssen, und die, die dran sind, sind völlig in Ordnung. Finden Sie nicht? «
    »Ich glaube … «
    »Eigentlich sollten die Röcke ohne Knöpfe an uns geliefert werden, aber da das nicht geklappt hat, wäre es unsinnig gewesen, sie deshalb verspätet zu liefern. Er hat getobt und mich am Telefon angebrüllt: ›Sie hatten nicht das Recht, so eigenmächtig zu handeln! Sie wissen gar nicht, was Sie angerichtet haben! Rufen Sie die bestellte Ware sofort zurück, bevor sie den Zoll passiert, und wenn so was noch einmal vorkommt, sind Sie gefeuert, haben Sie mich verstanden? Gefeuert!‹ «
    Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl und knüllte ein frisches Taschentuch zusammen, ohne sich die Tränen abzutrocknen .
    »Jetzt müssen die Dinger abgeholt und alle Knöpfe ausgetauscht werden, aber der Fahrer hat sich noch nicht blicken lassen. Das bedeutet, daß sie in jedem Fall zu spät in Deutschland ankommen, und wenn der Kunde dort die Annahme verweigert, gibt der Chef mir die Schuld. «
    »Das tut mir leid«, sagte der Maresciallo, während er überlegte, wie er, sich höflich von der unglücklichen jungen Frau verabschieden konnte. »Ich neige noch immer zu der Ansicht, daß Sie sich einen anderen Job suchen sollten.« Er hatte halbwegs begriffen, was da lief, die junge Frau hingegen eindeutig nicht. Es wäre nur gut, wenn sie das Feld räumte, bevor er die Sache meldete, denn das mußte er, auch wenn es nicht eilte. Es geschah Schlimmeres auf der Welt als das krumme Ding, das ihr Chef da drehte .
    »Hätten Sie was dagegen, mir eine Firmenkarte zu geben? «
    »Ich habe welche in der Schublade. Da, nehmen Sie ein paar. «
    »Eine genügt, wenn der Name Ihres Chefs draufsteht. «
    »Der steht drauf. Antonella Masolini. Er managt alles, wenn man das so nennen kann, aber das Geschäft gehört ihr. «
    »Vielen Dank. Können Sie mir noch irgendwas über Clementina erzählen? «
    »Clementina? «
    »Die Putzfrau. «
    »Ach, diese Verrückte. Ich wußte gar nicht, daß sie so hieß. Nein. Ich habe sie nur einmal gesehen, aber ohne mit ihr zu sprechen. Ich erinnere mich nur noch, daß sie fürchterlich geflucht hat. «
    Gut möglich, daß sie schon wieder vergessen hatte, daß Clementina ermordet worden war, so beschäftigt war sie mit ihren eigenen Problemen .
    »Ich lasse Ihnen meine Visitenkarte da, falls Ihnen noch was einfällt. Wann kommt Ihr Chef zurück? «
    »Am ersten September. Soll ich ihm sagen, daß Sie hier waren? «
    »Wie Sie wollen. Ich komme ohnehin wieder. «
    Als er unten auf der Straße stand, schaute er hinauf und sah sie am Fenster stehen, sich die Nase putzen und nach dem Fahrer Ausschau halten, der vorbeikommen und die Kartons abholen sollte .
    Die Luftfeuchtigkeit war so hoch, daß die steinernen Fassaden der Häuser aussahen, als schwitzten sie, und die wenigen Autos, die die Piazza Pitti überquerten, jenes leise schwirrende Geräusch machten wie Reifen auf nasser Straße. Vielleicht lag es an der Feuchtigkeit, daß der Staub auf der geteerten Fahrbahn klebte, vielleicht bildete sich der Maresciallo das auch nur ein, aber alles – die Geräusche, die Gerüche, das Licht – war so wie an einem Regentag. Nur der Regen fehlte. Er überquerte die Straße und ging durch den ansteigenden Vorhof zum Palazzo hinauf. Oben angekommen, wandte er sich nach links, nahm die Sonnenbrille ab, drehte sich um und blickte zum Himmel hinauf .
    Der erste Donnerschlag zerriß die Luft und verhallte in kleinen, vibrierenden Wellen. Die Hügel, die man hinter den Dächern hätte sehen müssen, waren verschwunden.

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