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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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jemand anderen erwartet. Jemand sollte dieses Zeug da abholen.« Sie deutete auf die aufgetürmten Kartons. Sie war klein und hübsch und hatte einen leichten ausländischen Akzent. Außerdem weinte sie und gab sich gar keine Mühe, es zu verbergen; immerhin schneuzte sie sich, bevor sie fragte: »Was wünschen Sie? «
    »Sind Sie ganz allein hier? «
    »Wie Sie sehen. «
    »Dann würde ich mich gern mit Ihnen unterhalten, wenn Sie eine Minute Zeit haben. «
    »Kommen Sie lieber hier herein. «
    Unmittelbar hinter der Bürotür befanden sich noch mehr Pappkartons. Aus einem, der aufgeklappt am Boden stand, hing ein Baumwollrock heraus. Die junge Frau setzte sich an einen Schreibtisch und zupfte aus einer Schachtel neben der Schreibmaschine ein frisches Papiertaschentuch .
    »Nehmen Sie Platz, wenn Sie wollen. «
    Der Maresciallo ließ sich damit Zeit; erst schaute er sich um. Ein großer, mit Spannteppich ausgelegter Raum, zwei große Fenster mit Blick über den Fluß. Es gab noch zwei Schreibtische mit Schreibmaschinen, über die Staubhüllen gestülpt waren .
    »Sind Ihre Kollegen alle in Urlaub? «
    »Alle sind weg, nur ich nicht, weil ich für Deutschland zuständig bin und die Leute dort nicht begeistert sind, wenn hier im August überhaupt nichts läuft. Ich hatte im Juli zehn Tage frei und soll im September noch mal Urlaub bekommen, falls ich nicht vorher rausgeworfen werde. «
    Es war schon merkwürdig. Sie redete ganz normal, ohne daß ihre Stimme kippte, und gleichzeitig rollten ihr Tränen über die Wangen. Ohne davon Notiz zu nehmen, sprach sie weiter .
    »Was wollten Sie denn? «
    »Ich bin nur … Verzeihen Sie meine Frage, aber stimmt was mit Ihren Augen nicht? Ich frage nur, weil ich … «
    »Nein. Ich bin nur völlig durcheinander. «
    »Verstehe. Bitte entschuldigen Sie. Ich bin hier, um Nachforschungen anzustellen. Reine Routine, kein Grund, sich Sorgen zu machen. «
    »Falls das stimmt, passiert in diesem Büro zum ersten Mal etwas, worüber man sich keine Sorgen zu machen braucht. Was wollen Sie denn wissen?« Endlich schien sie die herabrinnenden Tränen zu bemerken – kein Wunder, da sie unter den Kragen ihrer Baumwollbluse liefen – und trocknete sie mit dem Taschentuch ab .
    »Sind Sie schon lange hier? «
    »Nein. Hier hält es niemand lange aus. «
    »Wie lang genau? «
    »Noch keine zwei Monate. «
    »Erinnern Sie sich an eine Putzfrau, die etwa bis vor einem Monat hier gearbeitet hat? «
    »Wir haben keine Putzfrau, und wenn sich dieses Weibsbild einbildet, daß ich hier auch noch staubsauge, hat sie sich geschnitten. Sie erwartet ohnehin schon, daß ich jedesmal Kaffee koche, wenn sie hier aufkreuzt – nicht daß es mir etwas ausmacht, jemandem eine Tasse Kaffee zu machen, aber erstens ist das nicht meine Aufgabe, und zweitens kann ich ordinäre Frauen nicht ausstehen, die sich was auf ihre Lebensart einbilden, obwohl sie nur Geld und schlechte Manieren haben. Oder wie würden Sie sich da fühlen? «
    »Ich … können Sie sich an die Putzfrau erinnern, die bis vor etwa einem Monat hier gearbeitet hat? «
    »Ich nehme an, daß Sie diese Verrückte meinen. «
    »Genau die. «
    »Was ist mit ihr? «
    »Haben Sie sie gekannt? «
    »Leute, die Büros putzen, verschwinden, bevor die Belegschaft kommt. Aber ich habe sie einmal gesehen, und das hat genügt – um festzustellen, daß sie verrückt ist, meine ich. Wohlgemerkt, man muß verrückt sein, um überhaupt hier arbeiten zu können. Jedenfalls habe ich sie an dem Tag gesehen, an dem sie gefeuert wurde. Es war das erste Mal, daß ich miterlebt habe, wie jemand gefeuert wird, weil ich gerade erst hier angefangen hatte, aber letzten Monat haben sie noch zwei Leute rausgeworfen. Und ich bin die nächste. «
    »Und wer wirft alle diese Leute raus? Der Inhaber der Firma? Oder gibt es einen Manager? «
    »Alle beide. Da der Manager der Ehemann der Inhaberin ist, spielt das keine Rolle. Sie ist das eigentliche Ekel, doch Gott sei Dank bekommen wir sie nicht oft zu Gesicht. Aber mit ihm wird es auch immer schlimmer, er dreht wegen jeder Lappalie gleich durch. «
    »Und die Putzfrau? Wer hat die gefeuert? «
    »Das war er, aber ich möchte wetten, sie hat dahintergesteckt. «
    »Warum wurde sie gefeuert? «
    »Vielleicht hat sie ihre Arbeit nicht ordentlich gemacht – nicht daß es hier sonderlich ins Gewicht fällt, ob man ordentlich arbeitet, da man es sowieso niemandem recht machen kann.« Sie hatte das Taschentuch zusammengeknüllt und

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