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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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zerpflückte es mit einer Hand in kleine Fetzen .
    »Wenn Sie hier so unglücklich sind, warum bleiben Sie dann?« wollte der Maresciallo wissen .
    Sofort schlug sie einen anderen Ton an. »Alles in allem ist es vermutlich nicht schlimmer als anderswo. Aber wieso wollen Sie was über diese Putzfrau wissen? «
    »Sie ist tot. «
    »Ach … «
    »Man geht davon aus, daß sie Selbstmord begangen hat …« Welchen Sinn hatte das? Es würde ohnehin morgen in der Zeitung stehen. »Aber in Wirklichkeit wurde sie ermordet. «
    Sie sah ihn unverwandt an und zog ein frisches Papiertaschentuch aus der Schachtel. Ob gute oder schlechte Nachrichten, ihr war es einerlei, sie weinte einfach weiter .
    »Haben Sie denn irgendwelche Schwierigkeiten?« fragte er mitfühlend. Er hatte noch nie einen solchen Tränenstrom gesehen .
    »Nein! Ja … mit ihm schon. Erst schreit er mich an, weil ich keine Initiative ergreife, und wenn ich das tue, sagt er, ich hätte kein Recht, Entscheidungen zu treffen, ohne sie vorher mit ihm zu besprechen! «
    »Verstehe. Aber wenn Sie ein bißchen mehr Erfahrung haben, kommen Sie vielleicht besser zurecht. Sie sind noch sehr jung. «
    »Ich bin sechsundzwanzig. Und wie kann ich Erfahrungen sammeln, wenn ich meinen Job verliere? Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, hier Arbeit zu finden. «
    »Woher kommen Sie? «
    »Aus Deutschland. Habe ich einen argen Akzent? «
    »Nein, nein … man merkt ihn kaum. Aber wäre es nicht einfacher für Sie, sich in Deutschland Arbeit zu suchen? «
    »Ich kann nicht zurück – wegen meiner Eltern … Ach, ich will Sie nicht damit langweilen. Und über Ihre Putzfrau kann ich Ihnen auch nicht viel sagen, außer daß sie verrückt war. «
    »Das weiß ich, aber weshalb hatten Sie diesen Eindruck? «
    »Weil sie so geschrien und geflucht hat – gut gemacht, dachte ich damals, zahl es ihm mit gleicher Münze heim. So, wie er herumgetönt hat, daß ihr niemand anderer Arbeit geben würde und daß es ihr noch leid tun würde, hätte man meinen sollen, sie sei eine überbezahlte leitende Angestellte. Nach dem Lärm und dem Hin-und-Hergerenne zu schließen, das nicht zu überhören war, halte ich es für möglich, daß sie auf ihn losgegangen ist, und dann ist sie kreischend durch den Flur gerannt und hat geschrien: ›Ich gehe nicht! Ich denk nicht dran zu gehen!‹ Aber natürlich ist sie gegangen, und seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen. Es würde mich nicht überraschen, wenn er sie gefeuert hätte, weil er zu knickrig war, um sie zu bezahlen. Wir haben unsere Juli-Gehälter auch erst letzte Woche bekommen. «
    Der Maresciallo sah sich noch einmal um, bevor er meinte: »Daß ein so feiner Laden eine Verrückte als Putzfrau anstellt, wundert mich. «
    »Wahrscheinlich ist es nicht so leicht, eine Putzfrau zu finden. Vielleicht kann ich ja als Putzfrau arbeiten … «
    »Wenn Ihr Chef so wenig von Ihnen hält, wie kommt es dann, daß Sie hier allein die Stellung halten? «
    »Weil sie in Urlaub fahren muß, egal, was ansteht, und weil er sie, im Gegensatz zu anderen Geschäftsleuten, nicht guten Gewissens allein ans Meer fahren lassen kann. Sie ist viel jünger als er und nützt das auch aus. Er muß nach ihrer Pfeife tanzen und vierundzwanzig Stunden am Tag Gewehr bei Fuß stehen, und wehe ihm, wenn sie nicht alles bekommt, was sie will. «
    »Und wo machen die beiden Urlaub? «
    »Sie haben ein Haus am Meer, in der Maremma. Er wird jeden Augenblick anrufen, und wenn dieses ganze Zeug noch da ist, dann ist das meine Schuld, wie üblich. Wir sind schon im Verzug, und wenn bestellte Ware zu spät geliefert wird, kann der Kunde die Annahme verweigern. Falls das passiert, fliege ich raus, garantiert. Aber ist es meine Schuld, daß hier im August nichts vorwärtsgeht? Ist das vielleicht meine Schuld? «
    »Nein, nein, das geht allen so. «
    »Eben nicht! Versuchen Sie mal, Leuten nördlich der Alpen begreiflich zu machen, was August in Italien bedeutet! Das interessiert die nicht, und man kann es ihnen nicht verübeln. Deshalb habe ich getan, was ich getan habe – sehen Sie sich mal diesen Rock an! Würden Sie sagen, daß es daran was auszusetzen gibt?« Sie stand auf und schnappte sich den halb aus dem Karton hängenden Rock .
    Der Maresciallo starrte ihn an, als sie ihn ihm unter die Nase hielt. »Na ja … mit solchen Sachen kenne ich mich nicht so gut aus … «
    »Sehen Sie ihn sich einfach mal an! «
    Der Maresciallo seufzte. Wo er hinkam, schien er

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