Tod eines Centurio
der See selbst?« fragte ich ihn überrascht.
»Nein, wir sind noch etwa fünfhundert Schritte vom See entfernt. Dies ist ein Teich. Davon gibt es hier jede Menge. Das Schilf bietet ein gutes Versteck. Die Flankier hatten gerade angefangen, mit ihren Speeren in die Schilfbüschel zu stechen, als ich etwas auf dem Wasser treiben sah. Zuerst hielt ich ihn für einen toten Helvetier, der vielleicht in der Nacht zuvor verwundet worden war, sich hier im Schilf versteckt hatte und gestorben war. Seine Tunika war dunkel. Doch dann sah ich, daß er nackte Beine hatte wie die Römer.«
Die meisten Gallier tragen Hosen. Sie kämpfen häufig mit nackter Brust oder nur mit einem spärlichen Umhang über den Schultern, manche kämpfen sogar splitternackt, weihen sich ihren Göttern und sind sicher, dies sei der einzige Schutz, den sie brauchen. Nur ganz selten tragen sie Tuniken und lassen die Beine wie jeder ordentliche Soldat frei.
»Wann hast du ihn erkannt?«
»Er trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Ich bin zu ihm gewatet, um seinen Kopf als Trophäe zu nehmen, falls es sich um einen Feind handelte. Als ich jedoch sein kurzes Haar sah, wußte ich, daß es ein Römer war. Ich habe ihn umgedreht und sein Gesicht sofort erkannt. Bei Inspektionsappellen steht er immer auf dem Podium direkt neben Caesar.«
»Du hast nicht gelogen, als du dich deiner guten Nachtsicht gerühmt hast. War sonst noch was?«
»Ich habe den Speerkämpfern gesagt, sie sollten hier bleiben und die Leiche bewachen, und bin dann losgerannt, um Garbo Bericht zu erstatten. Gemeinsam sind wir zu Caesar gegangen.
Er wollte uns zuerst nicht glauben und hat nach seinem Ersten Speer schicken lassen. Nachdem der nicht gefunden werden konnte, hat er seine Offiziere rufen lassen, und ich habe euch alle hierher geführt.«
Der Rest von Carbos Männern traf ein, und ich war eine Weile damit beschäftigt, sie einen Kordon um den Tatort bilden zu lassen. Ich befahl ihnen, näher zu kommen, weil meine Hauptsorge der möglichst optimalen Absicherung des Tatorts galt, obwohl es unwahrscheinlich war, daß ich noch deutbare Indizien finden würde, nachdem so viele Menschen bereits auf der Stelle herumgetrampelt waren.
Langsam breitete sich am östlichen Horizont ein blasser Lichtstreifen aus. Unmerklich wurden nach und nach einzelne Gegenstände erkennbar. Es wurde auch deutlich, daß ich tatsächlich an einem Teich stand, der sich über etwa drei Morgen erstreckte und zur Hälfte von dichten Gräsern zugewachsen war. In der Ferne konnte ich den eigentlichen See Lemannus erkennen. Als ich mit den Lichtverhältnissen zufrieden war, trat ich zu der Leiche und kauerte mich neben sie.
Der Tod hatte Titus Vinius nicht schöner gemacht. Sein Mund war verzerrt, als hätte er um Luft gerungen, als der Tod ihn überraschte. Das Seil aus geflochtenem Leder war im Nacken zusammen gebunden und hatte sich tief in seinen Hals gegraben.
Er hatte eine dunkle Tunika aus grober Wolle an, wie Sklaven sie tragen. Als es heller wurde, entdeckte ich direkt über dem Herzen eine lange schmale Schnittwunde. Ich griff in die Halsöffnung und riß das Kleidungsstück auf. Etwa fünf Zentimeter links des Brustbeins entdeckte ich einen Stichwunde, die wahrscheinlich das Herz durchbohrt hatte. Blut sah ich nicht, doch die Leiche hatte ja auch im Wasser gelegen. Außerdem würde eine Stichwunde in den Leib ohnehin nur innere Blutungen hervorrufen. Das hatte mich mein alter Freund Asklepiodes gelehrt, und ich wünschte mir sehnlichst, ihn in diesem Moment an meiner Seite zu haben. Er konnte Wunden lesen wie Jäger Tierspuren.
Ich erkannte lediglich, daß die Wunde von einem zweischneidigen Dolch herrühren mußte. Jeder Soldat in beiden Lagern trug eine solche Waffe, genau wie ich selbst auch. Es mußten also mindestens zwei Täter gewesen sein. Ich konnte mir den Tathergang lebhaft vorstellen: Ein Mann hatte von hinten die Schlinge um Vinius' Hals gelegt und fest zugezogen.
Vielleicht hatte er sich heftig gewehrt, und ein Komplize hatte ihn deswegen von vorne erstochen. Vielleicht war die Schlinge auch nur dazu gedacht gewesen, das Opfer festzuhalten, damit der Messerstecher die eigentliche Hinrichtung vollstrecken konnte.
Dann erkannte ich, daß irgend etwas mit der Kopfhaut nicht stimmte. Ich kämpfte gegen meinen abergläubischen Widerwillen an und fuhr über das feuchte Haar der Leiche.
Unter den dichten strohigen Locken ertastete ich eine Platzwunde. Ich konnte spüren, wie der
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